Neuerlich zwei erlebnisreiche Tage in der Eidgenossenschaft |
Mit dem gleichen Programm wie im Juni starten wir am 8. September 2oo7 zur Neuauflage der ‚Erlebnisfahrt Schweiz’. Wieder bin ich von erwartungsvollen Gästen umgeben, die neugierig darauf sind, wie unser schönes Nachbarland in zwei Tagen ‚bereist’ und überhaupt ‚erlebt’ werden kann. Natürlich weiß jeder, daß ein ‚Bereisen’ in nur zwei Tagen nicht möglich ist, auf das ‚Erleben’ sind aber alle gespannt. Wie im Juni führt uns die
Reise zuerst in den Kanton Schaffhausen. Im Gemeindegebiet von
Neuhausen erleben wir dann das dortige Wunder der Natur, nämlich den
Rheinfall. Schon auf dem Weg vom Busparkplatz zum Schlößli Wörth
werden wir optisch und akustisch empfangen - auf Grund der derzeit
gegebenen großen Wassermenge ein überaus beeindruckendes Schauspiel.
Für mich Gelegenheit, das erste Gruppenbild zu ‚schießen’.
Aber es soll noch besser
kommen. Hautnah wollen wir die Naturgewalt nicht nur sehen und hören
sondern auch so richtig spüren. Was eignet sich da besser als im
offenen Boot des auf diese Fahrten spezialisierten Unternehmens
Rhyfall-Mändli durch das brausende Wasser zum Felsen in der Mitte
des Falles zu fahren, wo die Grenze zwischen den Kantonen Zürich und
Schaffhausen verläuft? Wie immer steuert der erfahrene Bootsführer
sicher den umbrandeten Landeplatz zu Füßen des Felsens an - für uns
‚Landratten’ ein geradezu aufregendes Erlebnis.
Und dann vom Boot an Land
und hoch die Stufen bis zur Plattform empor, an der auf hohem Mast
die Fahne mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund flattert. Der Blick
auf die in unmittelbarer Nähe donnernd herabstürzenden Wassermassen
ist heute überaus beeindruckend.
Aber dann kommt das
kulinarische Erlebnis. Das Restaurant im Schlößli Wörth bietet das
Feinste aus Küche und Keller, garniert mit dem einmaligen Blick auf
die den Fall herabstürzenden Wassermassen.
Aber wir müssen weiter, ist
das heutige Tagesziel doch Luzern, diese atemberaubend schöne Stadt
am Vierwaldstätter See, wo diesem die Reuss entfließt. Das Hotel ist
mir schon von der Juni-Reise bekannt. Es liegt zentral in der Stadt
und nur ein paar Schritte vom Bourbaki-Panorama entfernt. Das
verpflichtet natürlich, dieses hochinteressante Bauwerk bzw. sein
‚Innenleben’ sofort nach dem Zimmerbezug aufzusuchen, können wir
doch einen Blick auf die vom Deutsch-Französischen Krieg 187o/71
tangierte neutrale Eidgenossenschaft werfen.
Zehn Jahre nach diesem Krieg
hat der Genfer Maler Edouard Castres das 112 mal 1o Meter große
Rundgemälde geschaffen, dem ein plastisch gestaltetes Gelände
vorgelagert ist, das die ganze Szenerie in einer verblüffend
dreidimensionalem Wirkung zur Geltung bringt. Dargestellt ist der
Übertritt der französischen Ostarmee des Generals Bourbaki auf
Schweizer Gebiet mit der dort erfolgten Entwaffnung. Mit
freundlicher Genehmigung der Museumsleitung habe ich eine Ausnahme
von dem ansonsten im Panorama gegebenen strengen Photographierverbot
erhalten und kann so die Illusion, die den Besucher umfängt,
wiedergeben. Der Eisenbahnzug ist auf Leinwand gemalt - der letzte
Wagen steht aber in voller Größe im Vorgelände. Das zweite Bild
zeigt die Entwaffnung der französischen Soldaten.
Nach dem Blick auf die
Dramatik vom Jänner 1871 entführe ich meine Gäste an einen Ort, dem
ebenfalls ein auf die Schweiz Bezug nehmendes dramatisches Geschehen
zugrunde liegt, nämlich zum ebenfalls nahen Löwendenkmal. Der nach
einem Entwurf des dänischen Bildhauers Bertel Thorwaldsen vom
Konstanzer Steinmetz Lukas Ahorn in eine Sandsteinwand eingemeißelte
riesige sterbende Löwe erinnert an die Schweizergarde des
französischen Königs Ludwig XVI. Beim Sturm auf die Tuilerien am 1o.
August 1792 haben 26 Offiziere und über 7oo Mann den Heldentod
gefunden.
Aufgewühlt vom Erlebten
begeben wir uns nach dem Abendessen zu einem Rundgang in nunmehr
friedlicher Zeit. Während sich langsam die Nacht über die Stadt am
Vierwaldstätter See senkt und die Lichter aufflammen, gewinnen wir
auf unserem Bummel einen Eindruck von der Schönheit der Stadt und
einigen ihrer bekanntesten Bauwerke. Es begleitet uns dabei eine
liebe Bekannte aus Luzern, die uns mit ihren Geschichten über die
Stadt sowie den aktuellen Informationen viel Wissenswertes mitgibt.
Am Weg zur Seebrücke müssen die das Seeufer entlang schwimmenden
Schwäne das erste Nachtbild liefern.
Dann aber etwas, was jeder
Besucher von Luzern erwartet: Die Kapellbrücke mit dem Wasserturm,
das Wahrzeichen der Stadt, zu jeder Tages- und Nachtzeit
das Erlebnis. Wir schlendern über die Brücke, die durch den
Brand 1993 so stark gelitten hat. Nur noch zum Teil erhalten ist der
Bilderschmuck unter dem Brückendach. Auf insgesamt 111 Holztafeln
hat der Zürcher Künstler Hans Heinrich Wägmann Szenen zur
Stadtgeschichte gemalt gehabt.
Da der Bummel durstig
gemacht hat, ist am linken Reussufer eine Erholungspause angesagt.
Der vorzügliche Schweizer Wein – sowohl rot wie auch weiß – wird
verkostet. Eine Diskussion über den Unterschied zwischen
‚Weinbeißer’ und ‚Glasbeißer’ flammt auf.
Nach der flüssigen Stärkung setzen wir den Bummel fort und überqueren auf der Spreuerbrücke ein weiteres Mal die Reuss. Die Totentanzbilder des Luzerner Malers Kaspar Meglinger erregen besondere Bewunderung. So wie auf der Kapellbrücke weise ich darauf hin, daß die Brücken seinerzeit Teil der Stadtbefestigung gewesen sind, was noch aus den verschieden hohen Seitenwänden zu ersehen ist. Spät wird es am Abend, da
noch die Hotelbar aufgesucht werden muß. Am Morgen des zweiten
Reisetages können wir aber länger schlafen, da unser Linienschiff
erst um 9.22 Uhr von den Landungsbrücken ablegt. Nach dem feinen
Frühstücksbuffet schiffen wir uns frohgelaunt auf das Motorschiff
‚Winkelried’ ein - für mich dann natürlich wieder Gelegenheit,
zwischen dem Namen des Motorschiffes und der Schweizer Geschichte
die Verbindung herzustellen wie ich überhaupt bei jeder sich
bietenden Gelegenheit im Sinne des Mottos unserer Reise auf das
Spezifische unseres Nachbarlandes eingehe. Zugleich mit unserem
Schiff legt auch das Dampfschiff ‚Uri’, der bereits im Jahre 19o1 in
Betrieb genommene und somit älteste Raddampfer der
Eidgenossenschaft, von den Landungsbrücken ab.
Eine Weile fahren die beiden
Schiffe fast nebeneinander her, dann trennen sich auf Grund der
unterschiedlichen Wege die Kurse. Eineinhalb Stunden genießen wir
die ruhige Schiffahrt auf dem wohl schönsten Schweizer See und
werfen immer wieder einen Blick zum Pilatus hinauf. Doch kein Gipfel
ist zu sehen – ‚er trägt einen Hut, also wird das Wetter gut’. Ob er
allerdings bis zu unserem Eintreffen an der Bergstation der
Zahnradbahn den Hut lüften wird, bleibt abzuwarten. Vorerst sind
wir ja noch auf dem Wasser unterwegs. Nach dem Anlaufen einiger
Stationen erreichen wir Alpnachstad im Alpnacher See, wie dieser Arm
des Vierwaldstätter Sees heißt. Hier müssen wir umsteigen in die
steilste Zahnradbahn der Welt, die auf den Pilatus führt.
Unser freundlicher Zugführer
erklärt während der ganzen Fahrt über Lautsprecher technische und
landschaftliche Besonderheiten, während wir die prächtige Aussicht
genießen. Steil hinauf geht es, etwa in der Mitte der Strecke dann
als technische Besonderheit eine Ausweiche, wo wir die in
Gegenrichtung fahrenden Triebwagen kreuzen. Raffiniert konstruiert
die Weichen mit den Zahnstangen.
Die Steigung ist neben der
Trasse angeschrieben - 48 % beträgt der abzulesende Höchstwert. Wenn
die Trasse im unteren Teil der Strecke noch vielfach durch Wald
führt, so wird das Gelände in der Höhe naturgemäß immer baumärmer.
Vereinzelt erblicken wir weidende Kühe auf den Almen. Dann wieder
einmal ein Tunnel, der die Aussicht nimmt. Bis uns knapp unterhalb
der Bergstation der Nebel umfängt, der - wie wir erfahren - erst
etwa 5o m über dem Gipfel dem Sonnenschein weicht. Auch wenn wir
also absolut keine Fernsicht haben und uns bei der Photojagd auf
Dohlen beschränken müssen, so stellen wir doch einstimmig fest, daß
allein schon die Bergfahrt in eine Höhe von über 2ooo m ein kaum zu
überbietendes Erlebnis darstellt.
Nach der Stärkung im
Restaurant finden wir uns in der Bergstation der Luftseilbahn ein,
wobei wir auf der Talfahrt bereits nach wenigen Höhenmetern aus der
Nebelsuppe heraußen sind und herrliche Blicke auf den im
Sonnenschein liegenden See und dessen Umgebung genießen können. Von
der Luftseilbahn müssen wir dann in die viersitzigen Gondeln des
nach Kriens führenden Lifts umsteigen.
An der Talstation erwartet
uns schon unser Fahrer Udo mit unserem Bus. Nocheinmal queren wir
Luzern und erleben ein letztes Mal auf dieser Reise den Blick auf
die Bauwerke, die dazu beigetragen haben, die Stadt am
Vierwaldstätter See zu einem der meistbesuchten Ziele in der Schweiz
wenn nicht sogar in der Welt zu machen.
Vorbei am Verkehrshaus der
Schweiz - Echo aus dem Bus: da wollen wir einmal hinein! - fahren
wir zum Küssnachter See, diesem nördlichen Arm des Vierwaldstätter
Sees, wo wir an der Astridkapelle der 1935 hier tödlich
verunglückten belgischen Königin gedenken. Die Weiterfahrt führt uns
dann entlang des Nordufers des Vierwaldstätter Sees bis Brunnen,
wobei wir die laufend wechselnden Ausblicke auf die Landschaft und
über den See genießen können. In Schwyz, der Hauptstadt des
gleichnamigen Urkantons, die dem ganzen Land den Namen gegeben hat,
legen wir am Rathaus einen kurzen Halt ein. Wieder werden wir an ein
für die ganze Eidgenossenschaft wichtiges Ereignis erinnert, nämlich
die Schlacht von Morgarten im Jahre 1315.
Nach einer Fahrt durch eine
liebliche Landschaft ist der Wallfahrtsort Einsiedeln das letzte
Ziel dieser Reise. Selbstverständlich führt uns der Weg in die
Klosterkirche der Benediktinerabtei. Auch wenn der Gesamteindruck
überwältigend ist und wir die grandiose räumliche Wirkung bestaunen,
so picken wir doch einige Punkte heraus. Einerseits die
Gnadenkapelle mit der ‚Schwarzen Mutter Gottes’, andererseits die
Fresken von Cosmas Damian Asam, schließlich aber auch das
perspektivische dreitorige Eisengitter, das den Chor abschließt.
Auf dem riesigen
Klosterplatz finden wir noch die Aufbauten für das Mysterienspiel
‚Das große Welttheater’ von Calderón de la Barca in der neuen
Fassung von Thomas Hürlimann, das am Vortag zum letzten Mal in der
diesjährigen Spielperiode gebracht worden ist. Die Dernière mit dem
damit zwangsläufig verbundenem Rummel haben wir also um einen Tag
verpaßt. Durch die Aufbauten kommt der Liebfrauenbrunnen gar nicht
so richtig zur Geltung. Von dem an dieser Stelle austretenden Wasser
hat schon der Einsiedler Meinrad, der hier eine Kapelle und
Wohnräume gebaut hat, getrunken. Heute sind es die Tiroler Pilger,
die den heiligen Ort aufsuchen und von diesem besonderen Wasser
trinken.
B
Leider nur kurz ist der
abschließende Aufenthalt in Einsiedeln, da wir ja noch in die Heimat
zurückfahren müssen. Langsam füllt sich wieder der Bus, alle Gäste
strahlen ob des Erlebten.
Wir stellen - so wie im Juni - fest, daß wir in der zur Verfügung stehenden Zeit von nur zwei Tagen ohne Hast und Eile viel gesehen und erlebt haben. Etliche Gäste wünschen sich als Wiederholung dieser Kulturreise eine Drei-Tage-Fahrt mit noch gemütlicherem Ablauf, wobei dann aber noch zusätzliche Punkte aus der Schweizer Geschichte, wie etwa die ‚Hohle Gasse’ mit der ‚Tellskapelle’ oder die ‚Tellsplatte’, eingebaut werden sollten. |