Schottland auf neuen Wegen
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Wenn auch hinsichtlich Schottland gewisse Vorgaben, wie Abteiruinen, Schlösser und natürlich die traumhafte Landschaft, bestehen, die jeden Besucher dieses so schönen Landes einfach fesseln müssen, so habe ich die Reise vom Juni 2oo7 doch in einigen Punkten anders gestaltet als die, die ich zwei Jahre zuvor geleitet gehabt hatte. Doch der Reihe nach.
Da ich dem Veranstalter für diese Reise
aus meinem Tiroler Bekanntenkreis sechs Teilnehmer gemeldet habe – eine
Dame hat dann allerdings aus familiären Gründen absagen müssen -, wird
der Bus von Oberösterreich und Salzburg aus über Innsbruck geführt. Für
die Tiroler Teilnehmer eine wesentliche Erleichterung, für die Gäste aus
Oberösterreich und Salzburg die Möglichkeit, gleich eine Querverbindung
zwischen Tirol und Schottland in Erfahrung zu bringen. Der Tiroler
Landesfürst Erzherzog Sigmund der Münzreiche hat nämlich 1449 in erster
Ehe Eleonore von Schottland, die Tochter König Jakobs I., geehelicht.
Eleonore ist sehr kunstsinnig gewesen und hat den Innsbrucker Hof zu
einem kulturellen Zentrum gemacht.
In Innsbruck sind also alle
Reiseteilnehmer vereint, über den Fernpaß fahren wir nach Norden, wobei
wir in der ‚Kunst-Raststätte Illertal-Ost’ nördlich von Memmingen zu
Mittag essen. Zwischendurch schauen wir uns im Bus einen Film über unser
Zielgebiet an; zwei Damen nützen die bequeme Clubecke für eine Patience.
Dann aber erreichen wir das Rheintal in seiner romantischsten Gegend.
Was liegt da näher, als in Rüdesheim durch die Drosselgasse zu bummeln,
auch wenn es am späten Nachmittag noch ziemlich ruhig ist?
Rheinabwärts genießen wir die Fahrt,
vorbei an Schlössern, Burgen und Ruinen. Dazwischen liebliche Dörfer mit
markanten Kirchen. Die ostseitigen Hänge über und über mit Rebstöcken
bedeckt. Im Hotel Mercure in Lahnstein werden wir freundlich empfangen,
das Abendbuffet nehmen wir im obersten Stockwerk ein – die Aussicht ist
überwältigend.
Am zweiten Reisetag ist Rotterdam das
Ziel. Am Nachmittag fahre ich mit meinen Gästen den 185 m hohen
Euromast hoch, von welchem Aussichtsturm die Altstadt und dazu noch ein
kleiner Teil des riesigen Hafengebietes überblickt werden kann. Um aber
noch mehr vom Hafen hautnah zu erleben, machen wir anschließend mit
einem Panoramaschiff von ‚Spido’ eine ausgedehnte Rundfahrt, die uns bis
in die Becken des Containerhafens führt und uns direkt an die riesigen
Containerschiffe heranbringt. An der Schiffsbar lassen wir uns vom
freundlichen Personal mit Mixgetränken verwöhnen.
Gegen Abend schiffen wir uns mit unserem Luxusbus auf die MS ‚Pride of Hull’ ein, um mit diesem Fährschiff in der Nacht die 2o4 Meilen/378 km messende Strecke von Rotterdam-Europoort nach Kingston-upon-Hull zurückzulegen. Das Abendessen-Buffet mit erlesenen Speisen läßt keinen Wunsch offen. Dem kulinarischen Erlebnis folgt die Ausfahrt aus dem Hafen. Leider bemerken wir vom Sonnenuntergang nichts, der Himmel ist wolkenverhangen. Hoffen wir also auf die Rückfahrt.
Am nächsten Morgen erreichen wir den
englischen Hafen Hull, wie Kingston-upon-Hull kurz genannt wird, wo wir
uns nach dem Frühstücks-Buffet ausschiffen. Und dann geht es – für
unseren hervorragenden oberösterreichischen Fahrer Horst Stur überhaupt
kein Problem – im Linksverkehr weiter. Da heute Sonntag ist, herrscht
fast kein Verkehr, wir kommen rasch voran. Unser Reiseziel heißt
‚Schottland’, also müssen wir schweren Herzens die landschaftlichen
Schönheiten des Lake District links liegen lassen. In Gretna Green
machen wir Mittagspause. Vom berühmten Schmied oder einer Hochzeit
bemerken wir nichts, dafür läßt sich aber ein Dudelsackspieler gerne
photographieren.
Nicht lange halten wir uns in Gretna
Green, das mehr von seiner Vergangenheit lebt als daß es aktuelle
Erlebnisse bietet, auf und steuern auf dem Weg zum Tagesziel Glasgow das
auf Klippen über der Westküste thronende Culzean Castle – halb
Ritterburg, halb klassizistischer Palast – an. Leider darf im Inneren
nicht photographiert werden, gerade das Stiegenhaus und einige Säle
würden wunderbare Motive liefern. Aber auch von außen ist das Schloß für
jeden Photographen interessant.
Am Stadtrand von Glasgow, der
schottischen Stadt mit der größten Einwohnerzahl, sind wir wieder ganz
ausgezeichnet untergebracht und freuen uns auf die Stadtrundfahrt am
nächsten Vormittag.
Mit unserem ganz vorzüglichen
Stadtführer vereinbare ich im Rahmen der Rundfahrt möglichst viele
Photohalte, sodaß die Gäste hinsichtlich der Bildausbeute voll auf ihre
Rechnung kommen. Ausgehend vom George Square steuern wir die wichtigsten
Punkte an, wie die Kathedrale St. Mungo, die Universitätsgebäude und den
Frachtsegler Glenlee, heute ein Museumsschiff.
Gerne blieben wir noch in dieser
interessanten und durch ihre Bauwerke auch schönen Stadt, doch wir
müssen weiter, haben wir uns doch mit Strathpeffer nahe Inverness ein
weit entferntes Tagesziel gesteckt. Zum Mittagessen steuern wir Luss am
Loch Lomond an, eine kleine und ganz auf Fremdenverkehr ausgerichtete
Ortschaft direkt am Wasser dieses Sees (das gälische Wort ‚Loch’ heißt
übrigens See).
Weiter geht es durch eine traumhaft
schöne Landschaft, wie etwa durch das Glencoe (das gälische Wort ‚Glen’
heißt Tal), nach Fort Augustus am Loch Ness. Das berühmte Monster
bekommen wir nicht in Sicht, also muß eine aus Metall gefertigte Figur
herhalten – wie man sich eben das Untier, soferne es dieses überhaupt
geben sollte, vorstellt.
Die Besichtigung der Ruine von Urquart
Castle entschädigt uns aber vollkommen, ist sie doch Wirklichkeit,
während ‚Nessie’ mehr oder weniger eine Einnahmequelle für den
Fremdenverkehr darstellt. Auf dem Ruinengelände der seinerzeitigen
Schloßanlage können wir ungehindert umherstreifen und immer wieder den
Blick auf den darunter liegenden See werfen.
In unserem Hotel in Strathpeffer bleiben
wir zwei Nächte. Am ersten Morgen brechen wir zeitig zum Hochlandausflug
auf. Heute ist fast nur Natur angesagt, wobei wir während der Fahrt
öfters einen Halt einlegen, um die Landschaft so richtig zu genießen.
Auch in Ullapool, früher als Fischerhafen bedeutsam, nunmehr ein
wichtiger Fährhafen im Zuge der Verbindung mit den Äußeren Hebriden,
machen wir Pause. So wie auch bei den 46 m tief in einem ganz schmalen
Tal herabstürzenden Measach-Wasserfällen, die nach Ausbau des
Zufahrtsweges wieder besichtigt werden können.
Bei einer der Fahrtunterbrechungen habe
ich Gelegenheit, die Gruppe mit unserem Fahrer Horst im Bild
festzuhalten. Mit dem Inverewe Garden steuern wir dann ein
Botanikparadies an, das seinesgleichen sucht. Einige Stunden streifen
wir durch die Gärten und Parks und erkennen, daß nur aufgrund des durch
den Goldstrom bewirkten milden Klimas eine derartige Fülle von Pflanzen
aus der ganzen Welt hier gedeihen kann.
Die folgende Fahrt durch das Glen
Torridon bedeutet wohl einen weiteren landschaftlichen Höhepunkt, wir
genießen auch hier die unberührte Natur. Allerdings müssen wir
feststellen, daß kaum Schafe und Rinder – und schon gar keine
Hochlandrinder – zu sehen sind. Von unberührter Natur können wir
allerdings am Morgen des nächsten Reisetages nicht sprechen – wir
besuchen das blutgetränkte Schlachtfeld von Culloden Moor, auf welchem
1746 die Jakobitentruppen unter Bonnie Prince Charlie die entscheidende
Niederlage gegen England erlitten haben. In einem Einführungsfilm werden
uns die Hintergründe der Kampfhandlungen vor Augen geführt. Da gerade
ein neues Besucherzentrum entsteht und das Gelände teilweise abgesperrt
ist, können wir das alte Bauernhaus, das die Schlacht überstanden hat,
nicht von innen in Augenschein nehmen.
Nach Besichtigung der
jungsteinzeitlichen Grabstätten von Clava Cairns steht dann mit der
Ruine der Kathedrale von Elgin ein Musterbeispiel für eine der schönsten
Kirchenruinen ganz Schottlands auf dem Programm. Ein Pflichtbesuch für
jeden Fremden, der in Schottland unterwegs ist.
Was ist aber eine Schottland-Reise ohne
Besichtigung einer der vielen typischen Destillerien? Für uns auf dem
Weg nach Süden liegt die Glen Grant Distillery gerade richtig. Im Zuge
einer Führung werden wir über die Geheimnisse der Whisky-Erzeugung
aufgeklärt, wobei wir auch die ganze Anlage besichtigen können.
Natürlich ist eine Verkostung inbegriffen, nur unser Horst bleibt
‚trocken’. In der Theorie darf er allerdings wissen, was für die
Herstellung von Whisky benötigt wird. Es müssen Gerste, Hefe und Wasser
sowie – wo verfügbar – Torf zur Verfügung stehen.
Nun freuen wir uns auf die Besichtigung
von Blair Castle, dessen Schloßherr die einzige Privatarmee Schottlands
unterhält. Bereits ganz nahe am Schloß endlich ein ‚tierischer’ Erfolg:
die ersten Hochlandrinder kommen in Sicht.
Noch dazu sind sie ganz nahe. Also
Grund genug zum Anhalten, um so einen ‚Wolleknäuel’ bildfüllend
aufzunehmen.
Das wunderbar im hügeligen Gelände
gelegene und von einem riesigen Park umgebene Schloß ist wieder einmal
‚typisch Schottland’. Im Inneren des Schlosses darf ich aufgrund einer
Sondergenehmigung photographieren, weshalb ich bereits in der
Eingangshalle einen ganz kleinen Teil der Waffensammlung aufnehmen kann.
Das Schloß ist so interessant, daß uns über die vorgesehene Besichtigungszeit hinaus das Verweilen in ihm gestattet wird. Nach kurzem Aufenthalt im Schloßpark stellen wir aber fest, daß zwischenzeitlich das schmiedeeiserne Flügeltor zur Straße hin geschlossen worden ist und wir daher nicht mehr auf dem Weg, den wir gekommen sind, den Park verlassen können. Unser Horst findet aber einen Weg, sodaß wir unsere Reise Richtung Edinburgh fortsetzen können.
Zwischenzeitlich ist es aber so spät
geworden, daß wir auf den Abstecher nach Sterling zur Außenbesichtigung
des dortigen Schlosses verzichten müssen. Es sind eben doch gewaltige
Entfernungen zurückzulegen, was sich gerade an diesem Reisetag wieder
deutlich zeigt. Aber einen Vorteil hat die Abkürzungsstrecke doch: Wir
queren den Firth of Forth auf der Straßenbrücke und können so bei
abendlichem Sonnenschein – der hohe Norden und die Jahreszeit machen
sich gerade hier deutlich bemerkbar – die technisch hochinteressante
Konstruktion der 189o fertiggestellten Eisenbahnbrücke bewundern.
Bald schon erreichen wir unser Hotel am
Flughafen der schottischen Hauptstadt – wieder ist es ein Hotel der
Hilton-Kette. Nach dem Abendessen lassen wir bei einer kleinen
Geburtstagsfeier unseren Reisegast Johann Auernig aus Völs zu seinem
Sechziger hochleben. Er hat mit seiner lieben Gattin die Reise gebucht,
da er in jungen Jahren zur See gefahren war und ganz einfach in
Verbindung mit der Schottland-Rundreise das ‚Erlebnis Fährüberfahrt’ hat
genießen wollen (was ihm auch voll gelingt!).
Ein ganzer Tag in der schottischen
Hauptstadt folgt. Am Vormittag zeigt uns die Stadtführerin Christa, eine
gebürtige Schweizerin, die seit vielen Jahren in Edinburgh lebt, eine
Reihe von Sehenswürdigkeiten. Wir erfahren auch viel über Geschichte und
Kultur der Hauptstadt.
Die Führung endet am Schloß, wobei ich
dann um 13.oo Uhr noch ein besonderes Schauspiel vermitteln kann. Es ist
seit 1861 Tradition, daß exakt zu diesem Zeitpunkt eine Kanone
abgefeuert wird, damit die Bürger von Edinburgh sowie die Seeleute im
Hafen von Leith ihre Uhren danach stellen können. Natürlich verfolgen
mit uns noch viele weitere Schloßbesucher das Schauspiel.
Für die Besichtigung des Inneren des
Schlosses nehmen wir uns noch viel Zeit, gibt es doch in jeder Hinsicht
viel zu entdecken. Einerseits sind die Räumlichkeiten – soweit sie
überhaupt zugänglich sind - höchst interessant, andererseits gilt es
Schätze von unermeßlichem Wert zu bestaunen, etwa die Krönungsinsignien,
die Königskrone Jakobs V. sowie den ‚Stein des Schicksals’, auf dem
schottische Monarchen gekrönt worden sind. Dazu noch Bilder, Waffen und
Einrichtungsgegenstände.
Da sich der Hunger meldet, steuere ich
mit einigen Gästen ein mir von früher bekanntes Restaurant an, das sich
in einer säkularisierten Kirche befindet. Auf der Insel durchaus nichts
Ungewöhnliches. Herr Herbert Breitwieser, einer meiner Tiroler
Stammgäste, stellt sich bewußt mit einer Bierflasche in der Hand an ein
Spitzbogenfenster des gotischen Bauwerks – sowohl er als auch ich haben
ein etwas eigenartiges Gefühl im Magen: Müssen wir hier einen
hausgemachten und nicht etwa von außen hereingetragenen bedeutungsvollen
Schritt im Niedergang unserer abendländischen Kultur erleben?
Den ganzen Nachmittag streifen wir noch durch die schottische Hauptstadt, wobei wir uns auch nicht durch einen Platzregen stören lassen. Gegen Abend bringt uns Horst ins Hotel zurück, wobei nunmehr auch das nette Hallenbad frequentiert wird.
Der letzte Tag auf der Insel bringt in
kultur- und kunsthistorischer Hinsicht noch denen, für die die
Besichtigung von Abteiruinen Bestandteil einer Schottlandreise ist, zwei
Höhepunkte. Die Ruine von Melrose Abbey betrachten wir allerdings nur
von außen, um dann mehr Zeit für einen besonderen ‚Leckerbissen’ zu
haben.
Während die Ruinen der Abteien von Elgin
und Melrose die gotische Bauweise erkennen lassen, haben wir dann mit
der Ruine der Jedburgh Abbey ein auf den normannischen (bei uns:
romanischen) Stil zurückgehendes sakrales Bauwerk vor uns. Eine
eingehende Besichtigung ist natürlich angesagt! Dabei kommt uns der
Umstand zugute, daß das ganze Objekt mehrsprachig, somit auch deutsch,
beschildert und beschrieben ist. Mit mir klettern alle Interessierten
innerhalb der Ruine und auch außen herum, so auch unser ‚Ältester’, Herr
Johann Kirchner aus Bramberg.
Wir müssen uns aber endgültig von
Schottland trennen und fahren auf der Autobahn nach York. Hier haben wir
gerade noch Zeit für die Außen- und Innenbesichtigung des Münsters.
Insbesondere die wunderbaren Glasfenster im gewaltigen Kirchenschiff
haben es uns angetan.
Auf direktem Weg und ohne weiteren
Aufenthalt steuern wir Kingston-upon-Hull an, wo wir uns einschiffen,
dieses Mal auf die ‚Pride of Rotterdam’, das Schwesterschiff der uns
bereits bekannten ‚Pride of Hull’. Werden wir auf der Rückreise
wettermäßig Glück haben und zum Abschluß noch einen romantischen
Sonnenuntergang erleben? Wir haben Glück und genießen von den oberen
Decks auf der Fahrt Richtung Rotterdam, wie hinter uns die Sonne im Meer
versinkt.
Während wir im Hafen von Rotterdam rasch
zu Fuß das Schiff verlassen können, stecken die Busse im Stau. Ich nütze
daher noch die Zeit, um unser Geburtstagskind vor unserem Fährschiff ins
Bild zu bekommen.
Dann aber sind wir rasch auf der Autobahn und im gewohnten Rechtsverkehr geht es – nach 2o54 ‚linken’ Kilometern - der Heimat zu. Mittagspause lege ich im Rasthaus ‚Moseltalblick’ ein, um meine Gäste den einmaligen Blick auf die das Moseltal querende Autobahnbrücke genießen zu lassen. Am späten Abend sind wir zurück in unseren heimatlichen Ortschaften, voll mit Eindrücken aus einem für jeden Besucher kulturhistorisch und landschaftlich so interessanten Land mit seinen freundlichen Menschen. |