Traumtage im sonnigen Süden |
Wenn ein Reiseverlauf
genau der Vorschau entspricht, dann liegt dies zu einem guten Teil
auch am Wetter, das gerade bei einem Aufenthalt an einem See von
wesentlicher Bedeutung ist. Da einfach alle Erwartungen eingetreten
sind, ist somit die „Reise in den Frühling“ für die Gäste zu einem
besonderen Erlebnis geworden.
Schon die Anreise bietet
nach dem Aufenthalt in der Via Mala mit dem grandiosen Blick in die
vom Hinterrhein tief ins Gestein hineingefressene Schlucht einen
Kunstgenuß von Feinsten. In Zillis nämlich, einem kleinen Ort in
Graubünden, zeige ich meinen Gästen die von außen eher unscheinbar
wirkende Kirche St. Martin. Die bemalte Holzdecke mit ihren 153
Einzeltafeln, die in den letzten Jahren mit gewaltigem Kostenaufwand
restauriert worden ist, ruft geradezu Bewunderung hervor. Mit den
den Besuchern zur Verfügung stehenden Spiegeln wird Bild für Bild
der Decke mühelos betrachtet, die von mir beigestellte schriftliche
Erklärung der einzelnen Tafeln trägt zum Verständnis bei und rundet
den Gesamteindruck ab.
Es hat sich somit
wiedereinmal gezeigt, daß mit Bedacht ausgesuchte Besichtigungen
auch schon die Anreise zu einem Urlaubsort zu einem Erlebnis werden
lassen. Die Weiterfahrt durch die Kantone Graubünden und Tessin ist
dann insbesondere durch die landschaftliche Schönheit geprägt
gewesen, vor allem nach Erreichen des Langensees, also des Lago
Maggiore. Die Fahrt auf der Uferstraße, lediglich unterbrochen durch
den Grenzübertritt nach Italien, mit immer neuen Ausblicken hat eine
Vorahnung auf das noch kommende Schöne hochsteigen lassen.
Am nächsten Morgen dann die
mit Spannung erwartete ‚Seefahrt’. Auf dem spiegelglatten Wasser
läßt unser Kapitän das Motorboot mit am Bug flatternder
rot-weiß-roter Fahne mit Höchstgeschwindigkeit dahinbrausen, während
er nach unserer Hymne italienische Opern- und Volksmusik spielt.
Rasch sind die Borromäischen Inseln erreicht, an der Anlegestelle
der ‚Isola Bella’ haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. Die
südländisch-heitere Schloß-Führung bringt interessante Einblicke in
Leben und Wirken der Borromei und deren Kunstsammlung. Für
Gesprächsstoff etwa sorgen die Intarsienarbeiten und dann am Ende
der Führung ein Gobelin mit vorgetäuschtem fließendem Wasser. Der
diesbezügliche Illusionismus geht so weit, daß das Wasser des Baches
auf den Betrachter unabhängig von seinem Standpunkt zufließt.
Aber dann der große
Augenblick. Sind die im Schloßgarten herumspazierenden Pfaue
wirklich blütenweiß und wie verhalten sich die Männchen? Kein Gast
wird enttäuscht – die weißen Pfaue gibt es und die beiden ‚Kronen
der Schöpfung’ erobern weniger die Herzen des Harems als vielmehr
die der begeisterten Besucher. Wohl kein mit einer Kamera
ausgerüsteter Gast hält den prächtigen Anblick nicht fest. Vor der
Überfahrt zur ‚Isola dei Pescatori’ noch das obligate Gruppenbild,
das von mir überdies jeder Reiseteilnehmer erhält.
Nach dem Mittagessen -
natürlich im Freien und direkt am Ufer, um den regen Schiffsverkehr
beobachten zu können – dann die Überfahrt nach Stresa mit dem uns
bereits vertrauten Motorboot. Schon nach kurzer Fahrstrecke auf der
Küstenstraße kommt die in ihrer Gestaltung vielleicht etwas
ungewöhnliche Statue den Heiligen Carlo Borromeo in Sicht. Das
Interessante ist aber das Hochklettern im Inneren; den mit mir in
den ‚hohlen Kopf’ des Heiligen aufgestiegenen Gästen bietet sich ein
Panoramablick über das Umland und natürlich auch den See und dessen
gegenüber liegendes Ufer. Die einhellige Meinung der ‚Kletterer’:
Ein Erlebnis der besonderen Art.
Auch der zweite Reisetag
klingt nach dem Abendessen in angeregten Gesprächen aus, Erlebtes
und Erwartetes werden besprochen.
Aber dann wohl der Höhepunkt
dieses Tages: Von reservierten Abteilen der Centovalli-Bahn aus wird
die vorüberziehende Landschaft bewundert. Alle sind wir begeistert,
doch einer fehlt: Unser Busfahrer hat uns doch auf dem Parkplatz
neben dem Bahnhof in Locarno abzuholen. Er muß mutterseelenallein
die Strecke dorthin bewältigen und kann die Landschaft nicht so
genießen wie wir. Aber wir alle – den Fahrer eingeschlossen - haben
dann in Locarno noch genügend Zeit zum Bummeln oder zum Einkaufen
oder zur Auffahrt mit der Standseilbahn zur Wallfahrtskirche Madonna
del Sasso. Mich als Innsbrucker berührt die Fahrt mit dieser Bahn
besonders wehmütig, da in meiner Heimatstadt Innsbruck nur wenige
Monate zuvor die altehrwürdige Standseilbahn auf die Hungerburg kurz
vor ihrem einhundersten Betriebsjahr außer Dienst gestellt worden
ist, um einer teilweise unterirdisch geführten ‚modernen’ Bahn zu
weichen.
Zurück von Locarno in unseren Urlaubsort geht es wieder mit unserem Bus, der letzte Abend im Hotel vereint die ‚Spätschlafengeher’ noch zu angeregten Gesprächen in der Hotelbar. Und als Abschluß noch der
vorgesehene Kurzbesuch in Mailand, dieser Stadt, die besonders durch
Kunst und Mode besticht. Vom Castello Sforzesco aus spazieren wir
durch die Dantestraße zum Domplatz, wo auf uns eine Überraschung
harrt: Der Dom ist eingerüstet. Aber das soll uns nicht stören, nach
einem kurzen Rundgang im gewaltigen Innenraum steuern wir den Lift
bzw. die Treppe an und hinauf geht’s auf das Dach. Da erleben wir
hautnah Gotik in Reinkultur, ist doch der Mailänder Dom Santa Maria
Nascente das hinsichtlich seiner Ausmaße gewaltigste gotische
Bauwerk Italiens. Wären etwa die Marmorfiguren an der Fassade alle
sichtbar, wir könnten sie trotzdem kaum zählen - es sind 2246 an der
Zahl. Ich schieße noch ein letztes Bild von einigen der ‚Kletterer’,
dann geht es wieder hinunter und zurück zum Bus, wobei wir unterwegs
nach Durchwandeln der Galerie noch auf die Scala stoßen. So
interessant etwa der Besuch des dem Opernhaus angeschlossenen
Museums wäre oder natürlich auch die Besichtigung des Abendmahls von
Leonardo da Vinci im Refektorium von Santa Maria delle Grazie wäre,
auf dieser Reise ist nur eine Kurzbesichtigung der faszinierenden
Hauptstadt der Lombardei möglich.
Die lange Heimreise verkürzen wir uns mit Gesprächen über Erlebtes und noch Bevorstehendes sowie mit zur Stimmung passender Musik. Am frühen Abend erreichen wir unsere heimatlichen Ausgangsorte mit der Erkenntnis, daß auch viele interessante Erlebnisse gemütlich zu schaffen sind. |