Opernfestspiele  Verona

 

Für die Veroneser ist der August 1913 ein wichtiges Datum gewesen, nämlich dasjenige der erstmaligen Aufführung von Verdis ‚Aida‘ in der Arena, die ihnen die zum Zeitpunkt der Errichtung des Amphitheaters noch ungeahnten Möglichkeiten desselben offenbart hat. Wie ist es zur Idee zu diesem Ereignis gekommen? Fast zufällig ist sie geboren worden.

In einem Café auf der Piazza Brà sind der aus Verona stammende Tenor Giovanni Zenatello mit seiner spanischen Frau Maria, einer berühmten Mezzosopranistin, sowie der Impresario Ortone Rovato und der Dirigent Ferruccio Cusinati, beide ebenfalls Veroneser, beisammen gesessen. Wie jedes Jahr hat das Ehepaar Zenatello, das an der Metropolitan Opera in New York engagiert gewesen war, die Sommermonate in Verona verbracht. In der Viererrunde wurden die Möglichkeiten, Verdis 1oo. Geburtstages, den es am 1o. Oktober zu feiern gegolten hätte, zu gedenken. Die Sängerin hat beim Betrachten des mächtigen Baues des Amphitheaters die Vision gehabt, daß in diesem eine Verdi-Aufführung einen großen Eindruck hinterlassen müßte. Aber würden die Stimmen und der Klang des Orchesters sich nicht völlig in einem so riesigen Raum verlieren, nicht verzerrt werden? Die vier Künstler entschlossen sich, sofort einen Versuch zu unternehmen. Der Tenor hat das Rezitativ des Radames ‚Se quel guerrier io fossi‘ angestimmt, um die Akustik zu prüfen - bereits bei den ersten Tönen ist die Entscheidung zugunsten einer ‚Aida’ - Aufführung gefallen. Der Dirigent Tullio Serafin, der die Premiere zu leiten gehabt hat, hat zunächst keinen Hehl aus seinen Vorbehalten gemacht; ein kurzer Versuch, von einigen Orchestermusikern unterstützt, hat ihn aber restlos überzeugt.

Nach und nach haben alle Dirigenten, die in der Arena von Verona auf dem Podium gestanden sind, ihre Bedenken abgelegt, obwohl viele von ihnen prinzipiell gegen musikalische Aufführungen im Freien gewesen sind. Für Verona sind sie aber immer bereit gewesen, eine Ausnahme zu machen. Nur einen dieser vielen Dirigenten, die die Festspiele mitgeprägt haben, nämlich Franco Capuana, will ich zitieren: ‚Wenn die Gattung Oper wirklich eine geistige Errungenschaft ist wie die griechische Tragödie, das Elisabethianische Drama oder die italienische Komödie der Renaissance, dann ist die Arena von Verona mit ihrer herrlichen Architektur und ihrer vollendeten Akustik dafür die ideale Musik-Akademie.‘

Sogar das Verhältnis zwischen den Ausführenden und dem Text wird von Aufführungen in Arena-Theatern beeinflußt, wie sich Gianandrea Gavazzeni geäußert hat: ‚Außer den akustischen und optischen Gegebenheiten ist es die theatralische Ethik, die von Grund auf verändert ist. Die Menge auf den Rängen äußert sich unmittelbar und leidenschaftlich. Jede Lust zur Kritik verschwindet aus unserem Geist. Nichts bleibt als die Musik und das Theater. Alles konzentriert sich in diesem Augenblick auf ihre einzig wichtige Botschaft. Das ist die wahre Kultur, realistisch und unmittelbar.’

Die Festspiele von Verona bieten die Gelegenheit, Musikbegeisterte aus der ganzen Welt zu treffen, unter ihnen immer mehr junge Leute. Sie bieten nicht nur die bekanntesten Repertoire-Opern, sondern auch weniger häufig gespielte, die hier vor der großen Menge ihre volle Rechtfertigung wiederfinden. Ich will hier nicht Dutzende von Opern aufzählen, die mit Erfolg in Verona aufgeführt worden sind. Auch Ballette und sogar Symphoniekonzerte sind begeistert aufgenommen worden. In jedem Falle erfordert die Größe der Szene von Regisseuren und Bühnenbildnern die erfinderischsten und wohldurchdachtesten Lösungen. Bedenken wir, daß die Bühne 7o Meter breit ist und eine Tiefe von 3o Metern hat, wozu noch der neben und hinter der Bühne liegende Teil der Sitzreihen kommt, der über 3o Meter ansteigt. Die Längenausdehnung der gesamten Spielfläche beträgt somit ca. 13o Meter, wodurch Werke spektakulären Charakters, wie etwa Verdis ‚Aida‘, umso größere Fülle, Stärke und Echtheit erlangen. Und die Festspiele von Verona tragen somit ihren Teil dazu bei, der Oper ihre ganze Faszination zu erhalten.

Im Jahre 2o11 stehen bei den 89. Opernfestspielen vom 17. Juni bis 3. September ‚Aida’, ‚La Traviata’ und ‚Nabucco’ von Giuseppe Verdi, ‚Der Barbier von Sevilla’ von Gioacchino Rossini sowie ‚La Bohème’ von Giacomo Puccini auf dem Programm.

Mich freut es besonders, wenn meine Kulturreisen noch zusätzlich durch Aufführungen in Musiktheatern bereichert werden. Da ich in Musik maturiert habe und mich auch später die Musik ‚auf meinem Lebensweg begleitet hat und immer noch begleitet’ - oft schon bin ich in Verona und auch anderen Festspielorten gewesen -, kann ich also die Freude mit meinen Gästen teilen. Folgen Sie mir am 3o. Juli 2o11 auf eine zweitägige Reise zu den Opernfestspielen in Verona.

Die Reise führt von Linz und Salzburg über Innsbruck – mit Zustiegsmöglichkeiten auf der gesamten Strecke - in den Süden, wobei wir unterwegs in einem feinen Lokal zu Mittag essen. Am Nachmittag sind wir bereits in Verona, wo wir in unserem Hotel die Zimmer beziehen. Dann kann uns aber nichts mehr halten - wir müssen doch den historischen Teil Veronas erforschen.

Mit unserem Bus wollen wir möglichst nahe zum Amphitheater fahren, um dann zu Fuß zum einstigen römischen Forum, zur heutigen Piazza dell’ Erbe, zu bummeln. Genießen wir das Leben und Treiben auf den von Palästen im unterschiedlichsten Baustil gesäumten Straßen und Plätzen in vollen Zügen, vor allem am Marktplatz. Durch einen Bogen kommen wir auf die Piazza dei Signori, einst das weltliche Machtzentrum. Das Rathaus wird von der 83 m hohen Torre dei Lamberti überragt, von deren höchstem Stockwerk (mit oder ohne Lift erreichbar) sich wunderbare Blicke auf die Stadtmitte ergeben.

Wieder auf ebener Erde ist das Aufsuchen und Bewundern noch vieler weiterer Sehenswürdigkeiten und Kunstwerke geradezu Pflicht. Auf dem Friedhof der kleinen dreischiffigen Kirche S. Maria Antica, der einstigen Hauskirche der Skaliger, befinden sich die Grabmäler dieses Veroneser Fürstengeschlechts - Gotik in Reinkultur! Unbedingt muß ein Innenhof, in den ein Balkon ragt,  aufgesucht werden - wir denken natürlich an Romeo und Julia.

Aber auch Kirchen ziehen ihre Aufmerksamkeit auf uns. Ob Sant’Anastasia, der Dom oder die etwas außerhalb liegende Basilika S. Zeno Maggiore, eine der schönsten romanischen Kirchen Norditaliens - es ist nur eine Frage der Zeit, diese sowie das am Etschufer errichtete Castelvecchio aufzusuchen. Und in einem der vielen Lokale wollen wir ja noch gemütlich vor der um 21.15 Uhr beginnenden Aufführung von Giuseppe Verdis ‚Aida’ zu Abend essen.

Genießen wir dann die hinreißend schöne Musik und die verschwenderische Fülle des Melodienreichtums, aber auch die Chöre und die herrlichen Marschmelodien. Nehmen wir teil am Schicksal des ägyptischen Feldherrn Radames und der äthiopischen Königstochter Aida.

Spät kommen wir nach diesem musikalischen Kunstgenuß in unser Hotel zurück, wir ‚dürfen’ aber etwas länger schlafen. Sollten wir am Vormittag des zweiten Reisetages nicht zu spät aufbrechen, habe ich für die Rückreise noch eine Überraschung vor. Die bereits von der Anreise bekannte Strecke fahren wir zurück zu den Ausgangspunkten in Tirol, Salzburg und Oberösterreich, voll mit Erinnerungen an musikalische und kunstgeschichtliche Genüsse, aber auch an Erlebnisse in bezaubernd schönen Landschaften.