Tessin im Hochsommer

 

In meiner Reisevorschau habe ich nicht zuviel versprochen. Im südlichsten Schweizer Kanton grünt und blüht es bereits im Frühling, während es in unseren Breitengraden noch empfindlich kalt sein kann. So ist eine Frühlingsreise in die ‚Sonnenstube der Schweiz’ durchaus zu empfehlen. Aber auch im Sommer hat das Tessin seinen ganz besonderen Reiz, wie ich aus Erfahrung weiß und wie meine Gäste und ich auf dieser Reise, die der Veranstalter kurzfristig um einen Tag verschoben hat und die daher vom 13. bis 16. August 2o11 stattfindet, mit Freude feststellen können.

Die Anreise erfolgt von Linz über Salzburg und Innsbruck, wo ich mit Frau Therese Peischer zusteige. Im Rasthaus Trofana nahe Imst legen wir eine längere Pause ein. Für mich Gelegenheit, den feinen Bus, den ich bereits von der Glacier-Express-Reise im Juli kenne, im Bild festzuhalten.
 


 

Im Arlberggebiet zeige ich einen Film über unser Zielgebiet, sodaß die Gäste von den Tunnels und vor allem von dem doch fast 14 km langen Arlbergtunnel gar nichts merken. Rasch vergeht die Zeit und schon sind wir im Fürstentum Liechtenstein und überqueren den Rhein. Dieser Fluß soll uns - ab Kloster Reichenau als Hinterrhein - längere Zeit Begleiter sein. Hinein geht es in die Bergwelt. Wir verlassen die eidgenössische Nationalstraße und genießen ein Schauspiel der Natur, wie es jemand, der noch nicht in diesem Gebiet gewesen ist, wohl nicht erwartet. In den Jahrtausenden seit der letzten Eiszeit hat sich der Fluß durch das Gestein gegraben und eine gewaltige Schlucht gebildet, die Viamala. Wir befinden uns mitten drin und blicken hinauf und hinab. Wir können kaum glauben, daß der Hinterrhein, der normalerweise nur wenig Wasser führt, ganz gewaltig anschwellen und um dutzende Meter ansteigen kann, wie die Hochwassermarken zeigen. Hier machen wir Pause und lassen uns am Kiosk mit Kafi Crème und Schweizer Schokolade verwöhnen. Die Freude ist allen Gästen sichtlich anzumerken - Frau Therese Peischer hat wohl den oberen Rand der Schlucht im Auge, um zu prüfen, wie weit hinunter sich der Fluß ‚durchgefressen’ hat.
 


 


 

Schon nach wenigen weiteren Kilometern auf der Verbindungsstraße dann ein Kunstgenuß, wie er in dieser abgeschiedenen Gegend wohl kaum erwartet werden kann. Wir besichtigen die Kirche St. Martin in Zillis, die an einer Außenwand von einem gewaltigen Christophorus geschmückt wird. Dieser ist zwar der Schutzpatron der Reisenden, aber nicht seinetwegen präsentiere ich die Kirche als ‚Pflichtbesichtigung’.
 


 

Es ist die aus 153 Feldern bestehende Kassettendecke, die älteste erhaltene Temperamalerei des Abendlandes. Die Innenfelder zeigen Darstellungen aus der biblischen Geschichte, wobei aber plötzlich mit der Dornenkrönung abgebrochen wird. Während dann Szenen aus dem Leben des Heiligen Martin folgen, erkennen wir in den Randfeldern Fabeltiere, so auch einen fischschwänzigen Elefanten. Um den Kunstgenuß zu vervollständigen, erklingt von der Orgel her Musik von Wolfgang Amadeus Mozart.
 


 


 

Wir bleiben aber noch auf dem Parkplatz nahe der Kirche, da unser Fahrer Michael noch für unser leibliches Wohl sorgt. Außerdem verdient der Hinweis auf eine Wanderausstellung unser Interesse. Schließlich verbindet uns mit den Eidgenossen viel aus der gemeinsamen Geschichte, wenn auch zeitweise in Form von kriegerischen Auseinandersetzungen. Im Jahre des Abschlusses unseres Staatsvertrages, also 1955, haben wir unsere Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz gestaltet, auch wenn dies bei uns heutzutage vielfach verschwiegen wird.
 


 


 

Weiter geht die Fahrt, wobei sich schon bald nach dem San-Bernardino-Tunnel der wunderbare Blick auf das Misoxer Tal ergibt, in dem wir in gewaltigen Kehren steil bergab fahren. Natürlich muß diese Ansicht festgehalten werden; gerne verewige ich auch die Photographin.
 


 


 

Bei Bellinzona, der Hauptstadt des Kantons Tessin, legen wir noch eine kurze Kaffeepause ein. Dann aber geht es ohne weiteren Aufenthalt zum Luganer See. Bewußt fahren wir nicht gleich zum Hotel; ich wähle die Autobahnausfahrt Melide, um dann dem Seeufer entlang nach Paradiso zu fahren. In diesem vornehmen Vorort Luganos werden wir im Hotel Calipso schon erwartet. Zwar kenne ich dieses Hotel von vielen Aufenthalten, doch vergewissere ich mich bei jeder Ankunft wieder, ob noch alles gleich geblieben ist. Nach dem freundlichen Empfang an der Rezeption bummle ich durch Haus und Gelände und stelle fest, daß - anders als im Frühjahr - das Hallenbad ‚kein Hallenbad’ ist, da die Decke tagsüber zurückgeschoben ist. Sowohl im Hallenbad als auch im Freibad ist die Wassertemperatur recht angenehm.
 


 


 


 


 

Nach dem Abendessen habe ich noch etwas ganz Besonderes vor. Ich fahre mit den Gästen nach Melide, wo Swissminiatur, nämlich die ganze Schweiz in fünfundzwanzigfacher Verkleinerung, bestaunt werden kann. Da zeigt sich wieder, daß die Verlegung des Reisetermins um einen Tag hinsichtlich der von mir für die Abende ausgearbeiteten Programme geradezu ungünstig gewesen ist. Gemäß ursprünglicher Reiseplanung wären der Besuch von Swissminiatur am zweiten Reisetag und die abendliche Schiffahrt am dritten Reisetag gewesen. So müssen wir, da am jeweils folgenden Tag nicht möglich, schon am Anreisetag Swissminiatur besuchen und die Schiffahrt am nächsten Abend machen. Ganze acht Gäste kann ich für Swissminiatur begeistern; die anderen sind von der langen Anreise zu müde und begeben sich lieber in Orpheus Arme. Für diejenigen aber, die mit mir mitfahren, wird ein Traum wahr: Die abendliche Beleuchtung macht die liebevoll gestaltete Anlage noch sehenswerter - auf Schritt und Tritt ist Romantik pur zu verspüren.
 


 


 


 


 

Natürlich erhält jeder Gast eine Beschreibung und kann sich daher mühelos zurechtfinden. Über 12o Objekte aus allen Kantonen der Eidgenossenschaft lassen erkennen, wie schön und interessant dieses Land für jeden Besucher ist. Sicherlich erhält der eine oder andere so die Anregung, auf eigene Faust oder im Rahmen einer Gruppenreise die Schweiz zu besuchen. Lediglich durch die Sperrstunde ist unser Aufenthalt zeitlich begrenzt. Sicherlich träumt so mancher vom erlebten Schönen.

Der zweite Reisetag ist dem Besuch des Langensees, wie die Deutschschweizer den Lago Maggiore nennen, gewidmet. Schon früh geht es los, bei nach wie vor herrlichem Sonnenschein umrunden wir die Nordspitze dieses Sees und genießen die Fahrt seinem Westufer entlang bis Stresa. Für die Fahrt von dort zur Schönen Insel, also zur ‚Isola Bella’, habe ich eine Schiffahrt organisiert, um unabhängig vom Fahrplan der Linienschiffe zu sein. Vor der Abfahrt werden aber noch genügend Erinnerungsbilder geschossen.
 


 


 

Da braust schon mein ‚Capitano Marcello’ heran, der uns an Bord seines feinen Schiffes nimmt. Während der kurzen Fahrt zur Insel, die sichtlich genossen wird, wird ‚auf Teufel komm raus’ photographiert. Es ist einfach zu schön, um auch nur ein Motiv auszulassen.
 


 


 


 


 

Auf der Insel angelangt, haben wir bis zur bestellten Schloßführung noch ein bißchen Zeit, um uns für das Gruppenbild mit der Fischerinsel im Hintergrund aufzustellen.
 


 

Im Zuge der Schloßführung erfahren wir viel nicht nur über die Familie Borromeo sondern auch über die Inseln. Natürlich wird auch geklärt, was die drei Ringen bedeuten. Unsere charmante Schloßführerin darf ich mit einigen Gästen beim Modell der Insel festhalten.
 


 

Die vorgesehenen 45 Minuten für die Schloßführung vergehen allzu rasch; wir werden in den Schloßpark entlassen. Natürlich halten wir alle nach den Pfauen Ausschau - ich bekomme nur Hennen zu Gesicht, allerdings mit ihren putzigen Jungen.
 


 

Den Aufenthalt auf der Insel schließt noch eine ganz gemütliche Stunde ab. Eine Vielfalt von grünen Gewächsen, aber auch von Blüten umgibt uns.
 


 


 

Und zum Schluß noch einmal ein entzückender Anblick - der ‚Abmarsch der Jugend’.
 


 

Zur vereinbarten Zeit gehen wir wieder an Bord des uns schon vertrauten Schiffes, was natürlich wieder festgehalten werden muß. Unser Capitano stellt sich mit Herrn Gebetsroither aus Gmunden zum Erinnerungsbild.
 


 


 


 

Jetzt hat Marcello richtig geflaggt - unser rot-weiß-roter Wimpel ziert neben den italienischen Farben den Bug seines Schiffes. Aus Draufgabe umrundet er noch die halbe Insel. Wie auf der Herfahrt herrscht beste Stimmung an Bord.
 


 


 

An der Anlegestelle erwartet uns schon unser Michael mit seinem Bus. Nach kurzer Fahrtstrecke erreichen wir in Arona die Statue, die als die höchste Europas gilt. Mit zehn Gästen klettere ich im Inneren dieser Kolossalstatue des hl. Karl Borromeus hoch. Im Kopf der Statue angelangt können wir 35 m über Grund aus den Augen herauszuschauen, wobei wir zuerst den rechten Arm entlang blicken und die aus der Nähe noch größer wirkende Hand in Augenschein nehmen. Die Maße sind enorm: Länge des Armes 9.1o m, Länge des Zeigefingers 1.95!
 


 


 

Dann lassen wir den Blick über den See und die hoch über dem ostseitigen Ufer thronende zinnenbekrönte Burg von Angera schweifen.
 


 

Wegen der uns auferlegten Programmänderung können wir nicht mehr die Wallfahrtskirche Santa Caterina del Sasso besichtigen; die Zeit reicht einfach nicht. Also fahren wir ‚heim’ in unser Hotel zum Abendessen, um dann die romantische abendliche Schiffahrt zu genießen. Wieder begleiten mich zehn Gäste. Wir stürmen die Schiffsanlegestelle und bewundern die Fontäne vor dem Hotel Eden. Die Freude auf die Fahrt erfaßt uns alle.
 


 


 


 

Die Lichter an Land ziehen an uns vorüber, wir kommen an Dörfern mit Kirchen vorbei, aber auch am Spielcasino in Campione d’Italia. Vom Oberdeck aus haben wir den bestmöglichen Überblick und genießen die Fahrt so richtig.
 


 


 

In der nächsten Nacht regnet es. Nicht schlimm, denn was an Regen in der Nacht gefallen ist, kann uns am kommenden Tag nicht mehr stören. Und so ist es auch. Wenn auch morgens noch ein paar Wolken am Himmel stehen - der Tag verspricht wieder sonnig und natürlich warm zu werden. Und das Versprechen wird eingelöst.

Nicht so zeitig wie am Vortag brechen wir auf. Wir haben nur ein Ziel: Es ist das traumhaft schöne Verzascatal, das wir bis zum Talschluß bei Sonogno hinauffahren und in dem wir die Landschaft so richtig genießen wollen. Schon bald nach der Einfahrt in das Tal kommt die gewaltige Mauer des Stausees von Vogorno in Sicht. Natürlich legen wir einen Halt ein - nicht jeden Tag können wir nämlich eine 38o m lange und 22o m hohe Staumauer ganz aus der Nähe sehen. Es ist eine der höchsten in Europa und vielen aus dem James-Bond-Film ‚Golden Eye’ bekannt. Wenn sich auch niemand aus der Gruppe ‚hinunterstürzen’ will, ein Erinnerungsbild von der Absprungstelle muß aber her und dann auch ein Bild der Eheleute Dr. Walter und Brigitte Eckerstorfer, die just heute ihren 48. Hochzeitstag feiern. Wie gut, daß sie nicht wissen, was ich für den Abend vorhabe.
 


 


 


 

Weiter geht es taleinwärts, ständig entlang dem smaragdgrün gischtenden Bergwasser der Verzasca. In Lavertezzo sehe ich aber einen längeren Aufenthalt vor. Dort quert nämlich den Fluß, in der Mitte auf einem Felsen ruhend, eine zweibogige mittelalterliche Steinbrücke, der ‚Ponte dei Salti’. Für jeden Photographen das Motiv.
 


 

Jeder aus der Gruppe vergnügt sich am und teilweise auch im Wasser. Gerne nehme ich Mitglieder der Familie Schausberger auf. Der Sohn Raffael weiß nicht, was ich heute abends zu seinem Geburtstag vorhabe. Die Großeltern beobachten vom Spazierweg die Lage.
 


 


 

Mit unserem Michael, der ebenfalls den Aufenthalt so richtig genießen kann, bekomme ich einige Gäste vor die Linse.
 


 

Leicht fällt niemandem der Abschied von diesem prachtvollen Fleck, doch müssen wir weiter. In Brione legen wir eine weitere Pause ein; es gilt, die Pfarrkirche Santa Maria Assunta mit den prachtvollen Fresken zu besuchen. Auch hier erhebt sich die Frage, weshalb ein begnadeter Künstler in dieses abgeschiedene Tal gekommen ist und warum er gerade hier ein derartiges Kunstwerk geschaffen hat. Antwort gibt es keine.
 


 


 

Bis zum Talschluß bei Sonogno ist es nun nicht mehr weit. Gerne streifen wir durch dieses hübsche Tessiner Dorf, das mit seinen in Stein und Holz errichteten Häusern ein geschlossenes Ortsbild ergibt. In bester Höhenluft verbringen wir die Mittagszeit.
 


 

Am Nachmittag sind wir zurück in unserem Hotel - Freizeit ist angesagt. Es gibt ja so viele Möglichkeiten, die Zeit zu genießen. Vor dem Hotel halte ich noch ‚unseren’ Michael mit ‚seinem’ Bus im Bild fest; die anderen im Hotel untergebrachten Reisegruppen sind von den Tagesausflügen noch nicht zurück.
 


 

Das Abendessen beginnt ganz ‚normal’. Erst nach dem Dessert soll es die geplante Überraschung geben. Zwar sind wir nicht auf dem ‚Traumschiff’, doch betritt das Personal feierlichen Schrittes und mit einer brennenden Kerze auf der Geburtstagstorte den Speisesaal. Da macht Raffael, der heute 17 wird, große Augen, als ihm diese dargereicht wird. Vater und Schwester beobachten die Szene, Opa hält alles im Bild fest.
 


 


 


 


 

Dann finden sich auch die ‚Hochzeiter’ ein, um gemeinsam mit dem jungen Geburtstagskind  und dessen Familie zu feiern. Im Kaffeehaus des Hotels klingt dann der schöne Abend aus.
 


 

Am nächsten Tag fragen mich einige Gäste, wie ich denn auf die Idee gekommen sei, diese kleine Feier, von der die Betreffenden völlig überrascht gewesen sind, zu gestalten. Meine immer gültige Antwort: Meine Reisen bestehen nicht nur aus Wissensvermittlung bzw. dem Ausgraben des im Laufe der Zeit Vergessenen sondern auch aus dem Aufgreifen solcher Anlässe, wobei natürlich immer Voraussetzung ist, daß mir die entsprechenden Daten bekannt sind. Es macht doch auch mir Freude, wenn sich alle Gäste mit den Betreffenden freuen und eine Überraschung gelingt.

Am Rückreisetag schließlich kommen wir wieder auf italienisches Staatsgebiet. Die wegen der Größe des Busses nicht ganz einfache Fahrt führt uns vorerst hoch über dem Nordufer des Luganer Sees nach Osten, wo wir östlich von Gandria die Grenze passieren. Weiter geht es zum Westufer des Comer Sees, dessen Nordteil wir dann umrunden, um zur Abtei von Piona zu gelangen. Das Erlebnis ist die beschwerliche Zufahrt wert.

Nach vorübergehender Stillegung des Klosters ist dieses nunmehr wieder von Zisterziensern belebt und ein beliebter Zielpunkt vor allem italienischer Touristen. Der Klosterlikör ist eine von den Mönchen destillierte Spezialität.
 


 


 


 

Die von mir noch auf italienischem Gebiet geplante Mittagspause ist nicht möglich. Wir treffen es aber gleich nach der Schweizer Grenze äußerst gut und speisen in Stampa im Bergell ganz vorzüglich. Unser Michael, denkt weniger ans Essen als an die Gäste, die ja durch die großen Scheiben einen ungetrübten Blick genießen sollen.
 


 


 

Die weitere Fahrt geht durch eine ausnehmend schöne Landschaft; sie führt über den Malojapaß und an St. Moritz vorbei. Kurz bevor wir Tirol erreichen, legen wir noch einen Halt ein, um im Grenzkiosk in Martinsbruck/Martina die letzten Franken auszugeben, etwa für Schweizer Schokolade. Dann noch ein Aufenthalt in dem den Gästen schon bekannten Rasthaus Trofana, wo ich noch fast alle Reiseteilnehmer in einem allerletzten Gruppenbild festhalten kann. In Innsbruck verabschiede ich mich von den Gästen aus Oberösterreich und Salzburg, wobei wir übereinstimmend feststellen, daß wir gemeinsam vier schöne Tage verbracht und viel erlebt haben.