Muttertagsfahrt ins Tessin
|
Heuer schon zum zweiten Mal
zieht mich der südlichste Schweizer Kanton an, wobei für diese Reise
noch ein besonderer Anlaß gegeben ist. Am zweiten Sonntag im Mai ist
Muttertag! Da liegt es doch nahe, die Mütter an ihrem Ehrentag mit einem
Ausflug zu verwöhnen und gleich noch drei Tage ‚vorauszuschicken’.
Folgen Sie mir also am 6. Mai 2o1o für vier Tage in die ‚Sonnenstube der
Schweiz’ und ins benachbarte Italien, wo es zu dieser Jahreszeit schon
überall grünt und blüht.
Die Strecke ins Tessin sowie die
geplanten Besichtigungen sind mir seit dem ‚vorigen Jahrtausend’ und zu
jeder Jahreszeit von vielen privaten Reisen und meiner Tätigkeit als
Reiseleiter bekannt. Ich kann daher das Schöne und Interessante
herauspicken. Die Reise führt von Oberösterreich und Salzburg über
Innsbruck - im Inntal können die Tiroler Teilnehmer zusteigen - ins
Ländle und vom Fürstentum Liechtenstein über den Rhein in die
Eidgenossenschaft. Unterwegs kehren wir in einem feinen Rasthaus zum
Mittagessen ein.
Nur ein paar Kilometer müssen
wir weiterfahren, nach dem ‚Erlebnis Natur’ gibt es ein ‚Erlebnis
Kultur’. Im kleinen Dorf Zillis besuchen wir die Kirche St. Martin, die
einen Schatz birgt, der als einmalig bezeichnet werden kann. Die
romanische Kassettendecke mit ihren 153 Feldern können wir mit
bereitliegenden Spiegeln bewundern – verständlich, daß die älteste
erhaltene Temperamalerei des Abendlandes von der UNESCO in die Liste des
Weltkulturerbes aufgenommen worden ist.
Weiter geht die Fahrt dem Süden
zu, begleitet von schneebedeckten Dreitausendern. Nach dem
San-Bernardino-Tunnel führt die Straße im Misoxer Tal in gewaltigen kühn
angelegten Kehren steil bergab. Links und rechts begleiten uns mit
Schieferplatten gedeckte Blockspeicher und Ställe. Südlich von Misox
grüßt uns die Ruine der einst größten Talfestung der Schweiz, nämlich
die Burgruine ‚Castello di Mesocco‘. Was uns gleich nach dem Tunnel
auffällt und was dann in den kommenden Tagen als selbstverständlich
erachtet wird: Sowohl im südlichen Teil Graubündens als dann natürlich
auch im Tessin wird italienisch gesprochen. Daher alle Bezeichnungen in
dieser Schweizer Landessprache.
Auf der Nationalstraße - so heißt die
Autobahn in der Schweiz - eilen wir dem Luganer See zu. Nach dem
letzten Tunnel ein unvergeßlicher Anblick: Wir genießen den ersten Blick
über das in die Bergwelt eingebettete tiefblaue Wasser des Sees und
fahren auf der Seeuferstraße zu unserem mir seit vielen Jahren bekannten
Hotel im vornehmen Luganer Vorort Paradiso. Sicher gehen sich vor dem
Abendessen noch ein paar Längen im hoteleigenen Hallenbad aus.
Der zweite Reisetag bringt uns gleich
nach dem Frühstück nach Italien. Wir fahren rund um die Nordspitze des
Langensees (so nennen die Deutschschweizer den Lago Maggiore) und dann
auf der Uferstraße nach Süden bis Stresa. Wir können uns gar nicht genug
satt sehen am Anblick der südlichen Flora links und rechts der Straße
sowie der weiten Wasserflächen. Die Borromäischen Inseln kommen in
Sicht, die ‚Isola Bella’ ist unser Ziel. Wir tauschen daher in Stresa
unseren Bus gegen ein Schiff, das uns rasch zum Anlegeplatz direkt
unterhalb des Schlosses auf der nahen Insel bringt.
Was wäre aber ein Aufenthalt auf
dieser Insel ohne Führung durch das Schloß und vor allem ohne
Besichtigung des prachtvollen Parks? Wir wollen uns also einem
Schloßführer anvertrauen, der uns fachkundig über die Fürstenfamilie
Borromeo, den Bau des Schlosses und die Anlage des Parks informiert und
mit uns durch das Schloß bis zum Aufgang zum Park geht. Dann aber gehen
uns die Augen über!
Was wir erleben, ist barocke
Gartenkunst in Reinkultur, wobei uns in der von uns gewählten Jahreszeit
ein Blütenmeer empfängt. Dazwischen stolzieren weiße Pfauen, deren nur
für das menschliche Ohr nicht sehr schön klingende Laute auf die
Haremsdamen Eindruck machen sollen. Stundenlang könnten wir in der
Betrachtung versinken!
Zur vorgegebenen Zeit müssen wir
uns aber wieder einschiffen, unser Bus erwartet uns am Hafen von Stresa.
Dann kann ich aber nach nur kurzer Fahrzeit zu einem für manchen Gast
völlig unerwarteten Erlebnis aufrufen: Wir stehen zu Füßen der 35 Meter
hohen Statue des hl. Karl Borromeus. Da diese im Inneren hohl ist, kann
der sportlich Geübte hinaufklettern und aus ihrem Kopf herausschauen,
dabei den Blick auch auf das ostseitige Seeufer mit der Festung von
Angera werfen. An dieser werden wir nach Umrundung der Südspitze des
Sees dann vorbeifahren.
Auf größeren Strecken nehmen wir die
ostseitige Uferstraße, wobei wir in Luino Richtung Lugano abbiegen.
Sollte es sich zeitlich ausgehen, können wir in Melide noch
Swissminiatur einen Besuch abstatten. Was erwartet uns dort?
Wir erleben ‚die ganze Schweiz’ in all
ihrer Schönheit, aber in 25facher Verkleinerung.
Auch am dritten Reisetag
besuchen wir Italien, wobei uns die Autobahnfahrt bis Como viel Zeit
sparen hilft. Wir überqueren bei Melide den Luganer See und passieren
bei Chiasso die italienische Grenze. Rasch sind wir dann in Como, wo wir
die Stadtmitte bei einem Rundgang erforschen. In den engen Gassen der
alten Viertel finden wir die elegantesten Geschäfte. Der autofreie
Domplatz mit der prächtigen Kathedrale (Como ist ja Bischofsstadt), dem
Stadtturm und dazwischen dem Broletto, dem einstigen Rathaus, ist allein
schon ein längeres Verweilen wert. Beim Anblick des Hauptportals des
Doms tauchen wir in die römische Geschichte ein -wir plaudern über den
Untergang Pompejis im Jahre 79 n. Chr. Näheres verrate ich dann an Ort
und Stelle. Das Innere der Kathedrale besticht allein schon durch seine
mächtige Vierungskuppel, die aber auch von außen wirkt.
Nicht weit ist es zur Basilika
San Fedele, wo wir uns in die Zeit der Romanik zurückversetzt fühlen.
Sicherlich geht sich noch ein Cappuccino in einem der vielen
Straßencafes aus, am besten im Hafenbereich. Mit dem Schiff geht es ja
weiter.
Was dann folgt, ist
Gemütlichkeit pur. Eine längere Schiffahrt ist angesagt, die uns von
Como über Bellagio zum Westufer des Sees bringt. Wunderbare Blicke über
den See und auf die Ufer bieten sich an. Hätten wir noch mehr Zeit, wäre
ein Bummel durch den so schön gelegenen Ort Bellagio, wo wir im Hafen
den Blick auf ein Fährschiff werfen können, ein weiterer Hochgenuß.
Teile der Küstenstraßen am
Luganer See und am Langensee kennen wir bereits - nunmehr fahren wir am
Westufer des Comer Sees nach Süden. Wieder eine traumhaft schöne Strecke
mit ihrer so wunderbaren südländischen Vegetation. Fallweise können wir
Blicke auf in prachtvollen Parks gelegene Villen werfen sowie
zwischendurch den regen Schiffsverkehr auf dem See beobachten.
Kurz vor Erreichen der Südspitze des Sees fahren wir auf die Autobahn, dann geht es direkt zurück zu unserem Hotel, wobei wir bei Melide wieder den Luganer See queren. Ein zwar ereignisreicher, aber trotzdem ein Tag ohne Hast und Eile endet mit unserem letzten gemeinsamen Abendessen. An der Hotelbar können wir aber noch plaudern oder aber einen nächtlichen Bummel auf der Uferpromenade unternehmen. Auch am Rückreisetag kommen wir auf italienisches Staatsgebiet. Hoch über dem Nordufer des Luganer Sees verlassen wir vorerst die Eidgenossenschaft und reisen in die Provinz Como ein. Das restliche Nordufer des Luganer Sees sowie das Westufer des Comer Sees bieten wieder eindrucksvolle landschaftliche Erlebnisse. Nahe Colico besuchen wir die Abtei von Piona, in stiller Abgeschiedenheit angelegt auf einer in den Comer See ragenden Halbinsel. Die beeindruckende Lage ist genauso einen Besuch wert wie der Kreuzgang oder die Klosterkirche mit ihren Fresken. Von früheren Aufenthalten her ist mir als Mitbringsel der ausgezeichnete Klosterlikör noch in bester Erinnerung. Bei Gelegenheit wollen wir die mitreisenden Mütter hochleben lassen, denn heute ist ja Muttertag! Das Tal der Mera – in Graubünden heißt dieser nördlich des Piz Duan entspringende Fluß Maira – fahren wir vorerst sanft aufwärts. In Chiavenna mit schönem Blick auf die Häuser am Flußufer queren wir das Flußbett. Nunmehr geht es aber steil bergan, bei Castasegna reisen wir ein letztes Mal in die Schweiz ein. An der Straße und den Häusern fallen uns gleich die rätoromanischen Namen auf. Im Kanton Graubünden ist nämlich das Rätoromanische, eine der vier Staatsprachen der Eidgenossenschaft, am stärksten vertreten. Die 13 % Steigung zum Malojapaß
schaffen wir leicht; noch vor der Paßhöhe blicken wir hinab ins Bergell,
aus dem wir gekommen sind. Ein traumhaft schöner Blick! Dann aber geht
es schon den Inn entlang, der vorerst vier Seen durchfließt und erst
allmählich an Größe gewinnt. Bei der Fahrt vorbei an St. Moritz stechen
uns die Hotelpaläste geradezu ins Auge – der zweimalige Olympiaort ist
ja Ziel der ‚Reichen und Schönen’.
Weiter geht die Fahrt durch das
gesamte Engadin. Wir wechseln dann – weiterhin dem Inn folgend – nach
Tirol über. Bis auf die Umfahrung von Landeck, wo wir in einem Tunnel
unterwegs sind, bleiben wir im Inntal. Dann aber geht es schon den
jeweiligen Ausgangspunkten der Reise zu, voll mit Erinnerungen an
kulturelle Bereicherungen, schöne Landschaften, gemütliche Schiffahrten
und gutes Essen und Trinken.
|