Schottland

 


 

Nach einjähriger Pause bringe ich heuer wieder meinen Gästen Landschaft, Kultur und Geschichte dieses großartigen Landes nahe. Es hat viel mehr zu bieten als in sich hartnäckig haltenden Klischeevorstellungen kolportiert wird, wie ich sowohl auf privaten Reisen als auch als Reiseleiter mit meinen bisherigen Gästen habe erkennen müssen. Folgen Sie mir also am 14. Juli 2oo9 auf eine neuntägige Reise nach Schottland. Sie werden selbst feststellen, daß im allgemeinen die schottischen Männer diesen Vorstellungen nicht entsprechen, wonach es sich um ‚Kilt tragende, unermüdlich Dudelsack spielende, Whisky trinkende und Haferfladen essende Geizhälse handelt, die das ganze Jahr über Baumstämme durch die Luft schleudern und Steine mit mehr oder weniger mystischer Vergangenheit in die Höhe stemmen’. Wenn auch solche ‚Bilderbuch-Schotten’ wohl ins Reich der Fabel gehören, so versuchen wir doch gemeinsam, hie und da ein Körnchen Wahrheit zu finden, was uns auch wohl gelingt.

Wir können wiederum - eingebettet in eine traumhaft schöne Landschaft mit unzähligen Seen und phantastischen Ausblicken - einerseits Schloßromantik genießen und in ihrer Pracht wohl konservierte Abteiruinen sehen, andererseits lebendige Dörfer und Städte durchstreifen. Schließlich gilt es aber auch das Muhen der Rinder und Blöken der Schafe als Erlebnis aufzunehmen, wobei natürlich der Fahrer unseres heimatlichen Luxusbusses den Wünschen der Photographen nach Möglichkeit entspricht. Auch wenn wir das Rundreiseprogramm einzuhalten haben, so sind wir doch in keiner Phase der Reise ‚auf der Flucht’.
 


 

Wir wollen also die Reise ganz gemütlich angehen, weshalb wir am ersten Tag nur bis in den Raum Köln fahren. Aber auch hier können wir schon Erlebnisse sammeln, sei es in kunstgeschichtlicher Hinsicht, sei es in Bezug auf eine typische Landschaft. Wo aber links und rechts der Fahrbahn nicht viel Interessantes zu sehen ist, zeige ich einen Film über unser Zielgebiet oder für dieses typische Bilder. So wird also auch die Anreise keineswegs langweilig.

Am nächsten Morgen fahren wir weiter, und zwar bis Rotterdam. In dieser niederländischen Hafenstadt treffen wir schon am späten Vormittag ein, sodaß mir genügend Zeit bleibt, zwei einmalige Erlebnisse zu vermitteln, zu denen natürlich der Hafen sowie ganz besonders der Blick auf diesen aus der Vogelperspektive gehören.
 


 

So beeindruckend und informativ eine Hafenrundfahrt auch ist, wir wollen zuerst ‚hoch hinaus’ und Rotterdam von oben betrachten. Fahren wir also den Euromast, wie dieser Aussichtsturm heißt, hoch. Schon von der Plattform mit dem Restaurant haben wir einen wunderbaren Blick über große Teile des Hafens und der Altstadt. Aber der Turm ist ja höher, geht es vielleicht noch weiter hinauf? Natürlich. Sie brauchen nur einen runden Raum mit Sitzbänken an den Wänden zu betreten. Schon steigt dieser Raum auf fast 185 m hoch – es ist ein sich drehender Liftraum, durch dessen Glasfenster und Glasboden Sie letztlich eine überwältigende Aussicht haben. Sehen Sie sich satt und sinken Sie schließlich wieder langsam zur Plattform auf etwa 1oo m herab. Ein außergewöhnliches Erlebnis  - bei gutem Wetter reicht der Blick bis zur Maasmündung!
 


 

Um das Gesehene aus einer anderen Perspektive noch einmal zu erleben, muß dann unbedingt eine ausgedehnte Rundfahrt durch die riesigen Hafenbecken folgen, zählt doch der Rotterdamer Hafen - was den gesamten Warenumschlag betrifft - zu den weltweit bedeutendsten Häfen, wobei er auch als Umschlagplatz für Containerschiffe von allergrößter Wichtigkeit ist.
 


 

Mit unserem feinen Rundfahrtboot steuern wir in die einzelnen Hafenbecken hinein und lassen uns über den Bordlautsprecher auf deutsch informieren. Wir erfahren viel Interessantes und auch Statistisches über den Hafen und seine Bedeutung für die niederländische Wirtschaft.
 


 

Ob die Rundfahrt an einem Containerschiff, das mit tausenden Containern beladen werden kann, oder an den Wolkenkratzern, vor allem an der Maas, vorbeigeht, die Einstimmung auf die bevorstehende Seereise gelingt vollkommen.
 


 

Mit unserem Bus fahren wir am späten Nachmittag ein Hafenbecken nach dem anderen entlang, um zu unserem Fährschiff der P&O North Sea-Ferries zu kommen - auch das ist ein Erlebnis. Die Paßkontrolle vor dem Einschiffen ist peinlich genau, schon die geringste Abweichung der angeführten Daten von denen im Personaldokument bewirkt erhebliche Verzögerungen. Machen Sie sich also nicht den Spaß, unter Ihrem ‚Rufnamen’ zu reisen. Ist aber alles klar, dann betreten Sie schon bald das riesige Fährschiff, in dessen Bauch schon unser Bus verschwunden ist. Die Ihnen zugewiesenen Kabinen sind zwar klein, aber sehr zweckmäßig eingerichtet. Vor dem Schlafengehen finden Sie sich noch zum Abendbuffet auf für Sie reservierten Plätzen ein. Pünktlich um 21.oo Uhr läuft dann unser Fährschiff aus.

Warum beschreibe ich das so ausführlich? Das ist eben der Unterschied zu einem Flug, der Sie von Mitteleuropa auf einen Flughafen auf den britischen Inseln bringt. Sie wären zwar in einigen Stunden am Zielflughafen und würden dort die Rundreise beginnen, aber Ihnen würde das ‚Erlebnis Fährschiff’ entgehen. Es ist einfach etwas Besonderes, nach dem vorzüglichen Buffet das oberste Deck ‚Ihres Schiffes’ aufzusuchen und den regen Schiffsverkehr zu beobachten. Es ist aber nicht nur dieser, es ist auch der faszinierende Sonnenuntergang. Sie fahren fast in die hinter dem Horizont glutrot versinkende Sonne hinein.
 


 

In einer der Bordbars können Sie auf die Seefahrt anstoßen, während das Fährschiff ruhig seinen Weg zieht. Auch in der Kabine des riesigen Schiffes merken Sie keinen Seegang. Sie schlafen prächtig, bis Sie durch den Bordlautsprecher zum Frühstücksbuffet gerufen werden. Durch die Fenster des Restaurants erblicken Sie den Hafen von Kingston-upon-Hull - in der Nacht haben Sie die doch beträchtliche Strecke von 2o4 Meilen oder 378 Kilometern zurückgelegt.

Das Ausschiffen ist bestens organisiert, die einzelnen Busse werden nacheinander aufgerufen, wir gehen zur britischen Paßkontrolle. Dann können wir in unseren vertrauten Bus einsteigen - im Linksverkehr und eine Stunde früher als bei uns geht es los. Da unser Ziel ja weiter nördlich liegt, wollen wir möglichst rasch vorwärts kommen, halten uns also vorerst unterwegs immer nur kurz auf, so auch in Gretna Green kurz nach der schottischen Grenze. Ein typisches schottisches Schloß haben wir dann mit dem Culzean Castle vor uns, das allein schon durch seine romantische Lage an der Westküste besticht.
 


 

Abends erreichen wir dann Glasgow, wo wir nach der Schiffsreise wieder eine Nacht mit festem Boden unter uns verbringen. Am Vormittag des nächsten Reisetages lassen wir uns von einem örtlichen Stadtführer die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zeigen. Vom George Square aus durchstreifen wir die Stadt mit dem Bus und steigen an den interessantesten Punkten aus. So erhalten wir einen gehörigen Eindruck von der bevölkerungsreichsten Stadt Schottlands, die 199o Kulturhauptstadt Europas gewesen ist. An Kultur werden wir nahe dem Glasgow durchfließenden River Clyde allein schon durch ein Gebäude aufmerksam gemacht, das sehr an die Oper von Sydney erinnert.
 


 

Nach dem ‚Erlebnis Stadt’ folgen Tage mit der für Schottland so typischen Landschaft. Seen,  Inseln, von begrünten Hügeln gesäumte Täler mit ihrer blühenden Pflanzenwelt, weidende Rinder und Schafe, immer wieder Schlösser mit Parks sowie Ruinen von Burgen und Abteien, aber auch von Schlössern. Am Loch Ness ist ein Aufenthalt natürlich Pflicht, wir gehen auf Photojagd nach dem Ungeheuer. Auch wenn wir dieses vielleicht nicht sichten sollten, dann auf jeden Fall die über dem Seeufer thronende Ruine von Urquhart Castle. Die strategisch äußerst günstig angelegte und als uneinnehmbar gegoltene Burg ist gegen Ende des 17. Jahrhunderts gesprengt worden, um sie nicht dem Gegner in die Hände fallen zu lassen. Für uns auf dieser Reise wieder einmal ein Grund, in der Geschichte zu ‚stöbern’.
 


 

Weiter geht die Fahrt bis nach Elgin, wo wir zwei Nächte bleiben. Ein ganzer Tag ist einem Hochlandausflug gewidmet – Landschaft pur gilt es zu genießen. In der Speyside-Region, benannt nach dem Fluß Spey, befinden sich über 5o (in Worten: fünfzig) Malt-Whisky-Destillerien, die weltweit größte Konzentration an Brennereien. Ein Pflichtbesuch in einer Whisky-Destillerie muß einfach sein; lassen wir uns aufklären, wie das schottische Nationalgetränk aus seinen Urprodukten das wird, was wir verkosten können. Einen längeren Aufenthalt legen wir in Inverness, der Hauptstadt des Hochlandes, ein. Vom Schloßplatz können wir den schönen Blick über den Ness und den westlichen Teil der Stadt mit der Kathedrale genießen. Sodann gilt es noch den Ort aufzusuchen, der Schottlands Schicksal besiegelt hat. 1746 haben die Jakobitentruppen unter Bonnie Prince Charlie die entscheidende Niederlage gegen die Engländer erlitten, die sich verheerend auf die Entwicklung des Landes hat auswirken sollen, wie wir im neuen Besucherzentrum von Culloden Moor erfahren können.
 


 

Noch weiter blicken wir in die Geschichte zurück beim Besuch der jungsteinzeitlichen Grabstätten von Clava Cairns, um dann noch einen Spaziergang durch den Schloßpark von Cawdor Castle folgen zu lassen. Am späten Nachmittag sind wir wieder in Elgin, die Besichtigung der schönsten Kirchenruine ganz Schottlands ist unbedingte Pflicht.
 


 

Am sechsten Reisetag geht es wieder südwärts, wir fahren an Aberdeen vorbei und nehmen Aufenthalt beim Balmoral Castle, dem Sommersitz der englischen Königsfamilie. Königin Victoria und Prinzgemahl Albert von Sachsen-Coburg sind 1842 erstmals nach Schottland gekommen und haben Freude an Land und Leuten gefunden. Deshalb hat Albert das bereits vorhandene Schloß für seine geliebte Victoria umbauen lassen. Vom der Öffentlichkeit zugänglichen Schloßpark können wir den Erfolg der Umbauarbeiten erkennen: Ein Schloß mit Erkern, Türmen und Zinnen sowie einer eindrucksvollen, doch funktionslosen Wehrarchitektur.
 


 

Auf dem Weg nach Edinburgh kommen wir in den Genuß eines technischen Erlebnisses ersten Ranges: Wir fahren über die Firth-of-Forth-Brücke mit Blick auf die Eisenbahnbrücke. Für mich natürlich Anlaß genug, um auf Theodor Fontanes Ballade „Die Brücke am Tay“ hinzuweisen, da der Einsturz der Eisenbahnbrücke über den Tay zu einer Neukonstruktion der Brücke über den Forth geführt hat.

Nach der ersten Nacht in Edinburgh vertrauen wir uns einem heimischen Stadtführer an, der uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Schottischen Hauptstadt zeigt und erklärt. Nach dem Mittagessen - wie wäre es, ‚zur Abwechslung’ einmal in einer säkularisierten Kirche zu speisen und dabei ein irgendwie doch beklemmendes Gefühl zu empfinden? - bummeln wir über die Princess Street und genießen das klassische Stadtbild.
 


 

Wer Lust hat, kann das 6o m hohe Scott Monument erklimmen und von der Plattform, auf die 287 Stufen führen, das Auge über die New Town schweifen lassen. Oder aber zum Calton Hill hochblicken, der unter anderem vom National Monument überragt wird, ‚Scotlands Pride and Poverty’. Der gewaltige Tempel zu Ehren der Gefallenen der napoleonischen Kriege hat aber nur zwölf Säulen, er ist ‚Schottlands Stolz und Armut’ - während des Baues ist das Geld ausgegangen. Es erweist sich einmal mehr, daß die Schotten nicht geizig sind sondern lediglich sparsam.
 


 

Nach einer weiteren Nacht heißt es Abschied nehmen von Edinburgh, diesem Brennpunkt von Kultur und Geschichte, von so manchem als ‚Athen des Nordens’ bezeichnet. Ein langer Weg liegt noch vor uns, allerdings mit kulturgeschichtlichen Unterbrechungen. Den ersten Aufenthalt nehmen wir im kleinen Städtchen Melrose, um uns vom wehmütigen Zauber gefangen nehmen zu lassen, der von den Ruinen der einst so stolzen Abtei ausgeht. Vielleicht ungewöhnlich für ein Zisterzienserkloster die vielen Ausschmückungen, die die Arbeitsfreude der Steinmetze unter Beweis stellen. Wer bisher noch nicht in Stein gemeißelt ein dudelsackspielendes Schwein gesehen hat, muß nur zum Dach der Abteikirche von Melrose Abbey hinaufschauen.
 


 

So interessant der Aufenthalt bei einer der schönsten Klosterruinen Schottlands ist, wir wollen noch in England eine kunsthistorische Delikatesse mitnehmen. In York gilt es, das Münster mit seinen weltberühmten Glasfenstern aufzusuchen. Aber auch das gewaltige Kirchenschiff mit dem Lettner ist eine bewundernde Betrachtung wert.
 


 

In Kingston-upon-Hull schiffen wir uns wieder auf ein Fährschiff der P&O North Sea-Ferries ein und verlassen die Insel. Wie auf der Herfahrt werden wir am Buffet verwöhnt und genießen die Annehmlichkeiten des riesigen Schiffes, in dem unser Bus wieder ‚mitschwimmt’. Am Morgen des letzten Reisetages erreichen wir sodann Rotterdam - im Rechtsverkehr geht es nun heimwärts mit Erinnerungen an erlebnisreiche Tage in einem von Natur und Kultur gesegneten Land. Wie aber überall in der Welt versteht es die Andenkenindustrie, die Gäste zu beglücken. Für Schottland ist eben Nessie eines der typischen Mitbringsel, gleichgültig, ob das Ungeheuer von uns gesichtet wird oder nicht.