Tessin |
Das fünfte Jahr schon hintereinander die gleiche Reise mit den gleichen Erlebnissen? Vielleicht sogar noch das gleiche Standorthotel? Ist so eine Reise überhaupt noch interessant? Es muß also etwas daran sein an dieser Reise, da sich immer mehr Stammgäste meiner Führung anvertrauen und die gleiche Reise Jahr für Jahr buchen. Es gibt aber keine ‚gleichen’ Reisen. Auch wenn An- und Rückreise vorgegeben sind, so sind nicht nur die Erlebnisse im Zielgebiet unterschiedlich. Auch unterwegs müssen immer wieder verschiedenartige Eindrücke aufgenommen werden. Da aber heuer sozusagen mit der
fünften von mir ausgearbeiteten und dann geleiteten Reise ein kleines
Jubiläum ansteht, habe ich die Reise um einen Tag verlängert, um meinen
Gästen mit dem Verzasca-Tal ein Ausflugserlebnis zu verschaffen, das
seinesgleichen sucht. Smaragdgrünes Wasser, abgeschliffene Felsen, eine
noch ziemlich unberührte Natur und schließlich mit der zweibogigen
Steinbrücke, fälschlich ‚Römerbrücke’ genannt, ein den Fluß Verzasca
überspannendes Bauwerk, das einfach bestaunt werden muß.
Doch der Reihe nach. Am 3o.
April 2oo8 brechen wir zu der nunmehr fünftägigen Frühlingsfahrt ins
Tessin auf. Wie in den Vorjahren führt die Anreise wieder durch
Graubünden, den flächenmäßig größten Kanton der Eidgenossenschaft.
Abgesehen von Kaffeepausen – wir sind ja nicht auf der Flucht und
schätzen die Gemütlichkeit – und dem wieder in Bellinzona, der
Hauptstadt des Kantons Tessin, geplanten Mittagessen, baue ich zwei
völlig unterschiedliche Besichtigungen ein. In der ‚Via Mala’, dem
‚Bösen Weg’ - die Schlucht hat der Hinterrhein in das Gestein gefressen
-, blicken wir hunderte Meter die steilen Felswände empor und fast so
weit hinab zum in dieser Jahreszeit nur wenig Wasser führenden Fluß.
Aber dann geht es weiter, wartet
doch schon nach wenigen Kilometern ein nicht nur für Kunsthistoriker
sondern auch für jeden an der Kunstgeschichte Interessierten ein
einmaliges Erlebnis, nämlich die reformierte Kirche St. Martin in Zillis
mit der romanischen Kassettendecke. Das Besondere an dieser äußerlich
ziemlich schlichten Kirche mit dem Christophorus-Fresko an der Westwand
ist nämlich die Kassettendecke, die ich meinen Gästen – im wahrsten
Sinne des Wortes – nahe bringe. Mit bereitliegenden Spiegeln nämlich
können wir jedes der 153 in Temperamalerei gehaltenen Felder mit Motiven
aus der biblischen Geschichte im Innenteil und der romanischen
Tiersymbolik am Rand genau betrachten. Wir stehen unter der ältesten
erhaltenen Malerei dieser Art im gesamten Abendland!
Die Weiterfahrt zum
San-Bernardino-Tunnel ist durch die Landschaft mit ihren schneebedeckten
Dreitausendern geprägt. Nach dem Tunnel führt die Straße in gewaltigen
kühn angelegten Kehren im Misoxer Tal steil bergab, wobei zusätzlich zur
Natur auch die mit Schieferplatten gedeckten Blockspeicher und Ställe
ein interessantes Bild ergeben. Also dann – wie bereits erwähnt - das
Mittagessen in der Hauptstadt des Tessin. Auf der gut ausgebauten
Nationalstraße geht es flott zum Luganer See weiter. Nach dem letzten
Tunnel vor dem See der erste Blick über das in die Bergwelt eingebettete
tiefblaue Wasser. Das Zeichen der örtlichen Schiffahrtsgesellschaft, der
Società Navigazione Del Lago Di Lugano, begrüßt uns, wir werden es im
Laufe der kommenden Tage noch oft genug sehen.
Doch wir wollen noch nicht in
unser mir von vielen früheren Reisen bekanntes Hotel im vornehmen
Luganer Vorort Paradiso einfallen, wir wollen zuerst noch ‚die ganze
Schweiz’ erleben. Wie das? Ganz einfach! Ein Besuch von Swissminiatur in
Melide steht auf dem Programm für den Nachmittag. Erleben wir doch dort
in 25facher Verkleinerung die Eidgenossenschaft in all ihrer Schönheit.
Ist zu den 121 Objekten, die es im Vorjahr zu bestaunen gegolten hat,
noch etwas dazugekommen? Lassen wir uns überraschen.
Dann die Fahrt dem Seeufer entlang zu unserem Hotel. Das kristallklare Wasser des Sees und die südliche Vegetation unter blauem Himmel lassen Vorfreude auf die nächsten Tage aufkommen. Der zweite Reisetag bringt vielleicht sogar für Stammgäste meiner Reisen viel Neues. Auch wenn ich privat und für einen anderen Veranstalter schon im Verzasca-Tal gewesen bin, für den Reiseveranstalter, für welchen ich die nunmehr das fünfte Mal durchzuführende Tessin-Reise ausgearbeitet habe, ist diese ‚Zugabe’ neu. Freuen wir uns also auf dieses Erlebnis. Nahe Locarno beginnt die
Bergstrecke in das Verzasca-Tal. Schon bald kommt die gewaltige Mauer
eines Stausees in Sicht. 38o m ist sie lang und 22o m hoch. Was sie mit
James Bond zu tun hat, werde ich meinen Gästen an Ort und Stelle
erklären. Weiter geht es nach dieser Unterbrechung das dünn besiedelte
Tal aufwärts, doch bald schon müssen wir unbedingt einen längeren
Aufenthalt einlegen.
Auf der ganzen Strecke schon
fällt das smaragdgrün gischtende Bergwasser auf, in Lavertezzo können
wir die seinerzeit vom Eis und dann vom Wasser rundgeschliffenen
Gneisfelsen ganz aus der Nähe bewundern. Den Fluß quert, in der Mitte
auf einem Felsen ruhend, eine zweibogige mittelalterliche Steinbrücke,
der ‚Ponte dei Salti’. Für die Photographen ein ‚Pflichttermin’.
Stundenlang könnten wir dort
verweilen, doch das Tal ist noch lang und wir wollen ja bis zum
Talschluß bei Sonogno fahren. Der Spaziergang durch das in über 9oo m
Höhe gelegene Dorf mit seinen äußerst interessant in Stein und Holz
gebauten Häusern ist eine Wohltat für Auge und Lunge, an den Gaumen
denken wir dort aber auch.
Nach der reichlich bemessenen
Mittagspause in dem so ruhigen Gebirgsdorf fahren wir wieder talauswärts.
Bald schon erreichen wir Locarno, diese so herrlich am Langensee, wie
die Deutschschweizer den Lago Maggiore nennen, liegende Stadt, die
tiefstgelegene der Schweiz. Der Busparkplatz nahe dem Bahnhof liegt für
meine Vorhaben äußerst günstig. Einerseits kann ich meinen Gästen das
älteste Gotteshaus Locarnos zeigen, nämlich die romanische Kirche S.
Vittore, andererseits ist die Talstation der Standseilbahn zur
Wallfahrtskirche Madonna del Sasso nur einige Meter entfernt,
schließlich ist es zum Hafen nur ein Katzensprung.
Einen grandiosen Blick genießen
wir von dieser Wallfahrtskirche aus auf die so wunderbar am Langensee
gelegene Stadt Locarno. Genügend Zeit bleibt auch für Kaffeehausbesuche
am Hafen, um den regen Schiffsverkehr zu betrachten. Am späten
Nachmittag geht es dann zurück zu unserem Hotel, wobei nach dem
Abendessen für so manchen Gast noch ein gemütlicher Bummel auf der von
alten Platanen und blühenden Sträuchern gesäumten Uferpromenade angesagt
ist.
Der dritte Reisetag – wir
verlassen die Schweiz vorübergehend und fahren nach Italien - bringt uns
den weit in den Süden führenden Ausflug zu den Borromäischen Inseln. Von
Stresa aus steuern wir mit rot-weiß-rot am Bug unseres Schiffes - der
Kapitän, der während der Fahrt unsere Hymne ertönen läßt, ist ein alter
Freund von mir - vorerst die Isola Bella an und besichtigen auf dieser
das Schloß und den in voller Blütenpracht stehenden Barockgarten.
Natürlich bekommen wir auch die weißen Pfauen zu Gesicht.
Weiter geht es auf die Isola dei
Pescatori zu einem gemütlichen Mittagessen direkt am Seeufer und dann
wieder nach Stresa zurück, dem Ausgangspunkt unserer ‚Seereise’. Doch
schon wartet in Arona das nächste Erlebnis. Klettern wir doch im Inneren
der Kolossalstatue des hl. Karl Borromeus hoch, um dann aus dem Kopf
herauszuschauen – knapp 35 Meter über Grund! Ein Abenteuer, das niemand
so schnell wieder haben wird. Rund um den Langensee geht es gegen Abend
zurück zu unserem Hotel.
Die Vergnügungen des vierten Reisetages
können die Gäste selbst bestimmen, ich stehe mit Rat und Tat zur Seite.
Da unser Hotel nur einige Meter von der Talstation der Standseilbahn auf
den Monte San Salvatore entfernt liegt, bietet sich eine Auffahrt auf
diesen Hausberg Luganos, von dessen Aussichtsplattform auf der Spitze
ein phantastischer Panoramablick genossen werden kann, geradezu an. Oder
eine kürzere oder längere Schiffahrt auf dem Luganer See, vielleicht zum
romantisch am Ufer gelegenen Gandria und dann zum Schweizer Zoll-Museum.
Aber auch eine Schiffahrt nach Capolago, um von dort mit der Zahnradbahn
fast bis zum Gipfel des Monte Generoso hinaufzufahren, um bei klarem
Wetter die bis in die Poebene reichende herrliche Fernsicht zu genießen,
ist eine Überlegung wert. Ich begleite meine Gäste natürlich auf dem
einen oder anderen Ausflug oder auch auf dem Bummel durch das abendliche
Lugano.
Am Heimreisetag überqueren wir bei
Melide wieder den Luganer See und erreichen bereits nach kurzer
Fahrtstrecke Como, wo wir einen längeren Aufenthalt einlegen. Einerseits
besichtigen wir den Dom, an dem durch Jahrhunderte gebaut worden ist und
dessen Vierungskuppel sowie Fresken es zu bewundern gilt, andererseits
bummeln wir zum Ufer des Comer Sees, um in einem der vielen Straßencafès
das Leben und Treiben zu Lande und zu Wasser zu beobachten.
Auf der so romantisch über dem Ostufer des Comer Sees angelegten Schnellstraße fahren wir sodann nordwärts, da wir in Colico möglichst nahe dem Seeufer zum letzten Mal ein gemeinsames Mittagessen einnehmen wollen. Weiter geht es die Serpentinen hoch zum Malojapaß und sodann - vorbei am Olympiaort St. Moritz - den Inn entlang heimwärts. Wie in den Vorjahren eine Reise, die sowohl durch die schöne Landschaft besticht als auch durch ihre kulturhistorischen Besonderheiten. Ohne Hast und Eile können wir das Schöne in uns aufnehmen, wobei natürlich vorzügliches Essen und Trinken selbstverständlich sind. Aufgrund des Feiertages und des Wochenendes benötigen die Gäste für diese Fünf-Tage-Reise nur zwei Urlaubstage. |