Unterwegs im langsamsten Schnellzug der Welt |
Wenn ich meine Reisen gestalte, dann gehe ich nach zwei Grundsätzen vor. Entweder bei gleichem Reiseziel ein möglichst anderer oder sogar neuer Ablauf oder aber – insbesondere dann, wenn eine Reise ‚eingeschlagen’ hat – das haarscharf gleiche Programm. Diese Reise hat das zweite Jahr hintereinander das völlig gleiche Programm – das spricht für die Qualität dieser sorgfältig ausgearbeiteten Reise, aber auch für das traumhaft schöne Reiseziel. Der Titel dieses Rückblicks über diese Reise vom 15. bis 18. Mai 2oo8 drückt aber nicht das ganze Erlebnis aus, da zusätzlich zum krönenden Abschluß, nämlich der Fahrt mit dem Glacier Express, auch Städte und Landschaften, Seen und Hochgebirge unvergeßliche Eindrücke hinterlassen haben. Von Tirol starten wir gegen
Westen, im Rasthaus Trofana gibt es ein ausgiebiges - zweites -
Frühstück. Unser Fahrer Andi freut sich mit mir über unseren bis zum
letzten Platz belegten Luxusbus, der zwar gegen sechzig Fahrgäste
aufnehmen könnte, der aber innen ‚zurückgebaut’ worden ist. Die
Clubecke sowie der extrem große Sitzabstand dienen der
Bequemlichkeit der vierzig Gäste.
Wie üblich zeige ich auf
dieser Reise im Arlberggebiet den Film über die Fahrt mit dem
Glacier Express; von den Tunnels bemerken die Fahrgäste nichts, da
sie die ‚Vorschau’ auf das, was sie selbst erleben werden, in Atem
hält. Die weitere Pause beim Rasthaus am Walensee nütze ich, um
gleich ein Bild von einer kleinen Gruppe zu schießen.
In Luzern, dieser so
wunderbar dort gelegenen Stadt, wo die Reuss dem Vierwaldstätter See
entströmt, ist eine längere Pause geradezu Pflicht. Beim Stadtbummel
erkläre ich die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten und kann überdies
viel aus der Geschichte erzählen. Luzern ist ja als vierte ‚Stätte’
dem ‚Ewigen Bund’ der drei Urkantone beigetreten, weshalb der See
den Namen ‚Vierwaldstätter See’ trägt. Kapellbrücke mit Wasserturm,
Jesuitenkirche und Nadelwehr, von welchem aus der Wasserstand des
Sees reguliert wird, gilt es zu besichtigen, auf der Spreuerbrücke
überqueren wir wieder die Reuss und kommen vorbei an Restaurant
Fritschi und Fritschibrunnen, was natürlich Gelegenheit ergibt, den
Karneval zu streifen.
Von Luzern sind viele Gäste derart begeistert, daß sie sogar vorschlagen, die gegenständliche Reise im kommenden Jahr um einen Tag zu verlängern und diesen ausschließlich Luzern zu widmen. Im Hinblick auf die vielen Möglichkeiten, die die Stadt bietet, sicherlich ein überlegenswerter Gedanke. Schiffahrten, vor allem mit den historischen Raddampfern, Ausflüge in die Umgebung und Besuche der zahlreichen Museen könnten dann ohne Hast und Eile in Angriff genommen werden. Nach dem Aufenthalt in unserem feinen Hotel in Flüele-Ranft weiß auch jeder, wo die weitere Nacht verbracht werden soll. Auf der Nationalstraße und
sodann auf gut ausgebauter Durchgangs- und Verbindungsstraße
erreichen wir rasch das nahe Sachseln. Die Wallfahrtskirche St.
Theodul, deren Frontseite schon auf den einzigen Schweizer Heiligen
hinweist, birgt die Gebeine des hl. Nikolaus von Flüe. An der
Friedhofseite des Kirchturms erinnert eine Plastik von Rolf Brem an
Dorothea, die mit ihren Kindern von Nikolaus verlassene junge Frau.
Dann aber kommt schon
Flüeli-Ranft in Sicht. Die letzten Meter vom Busparkplatz zum
Jugendstilhotel „Paxmontana“ legen wir unter einer Pergola zurück,
der Anblick des Hotels fasziniert immer wieder.
Vor dem Abendessen ist noch
die Kartenspielrunde der drei Eheleute Stoll eifrig am Werk. Und als
dann noch die charmante Dame von der Rezeption die Drehorgel
betätigt, mundet das ohnehin schon vorzügliche Mahl noch besser.
Am nächsten Morgen müssen
wir von dem Hotel, in dem wir uns alle so richtig wohl fühlen,
Abschied nehmen, steht doch eine lange Fahrt bevor. Über den
Brünig-Paß geht es in das Tal der Aare, am Ufer des Thuner Sees
legen wir eine kurze Pause ein. Südlich von Bern erreichen wir das
Saanetal, das wir aufwärts fahren. Am landschaftlich vielleicht
schönsten Punkt unserer Reise durch das Greyerzerland legen wir im
Rasthaus über dem von der Saane durchflossenen Stausee die
Mittagspause ein. Wie andernorts bemerke ich auch hier im Rasthaus,
daß sich die Eidgenossen schon sehr auf die nahe EURO2008
eingestellt haben.
Weiter geht die Reise, der
Genfer See taucht auf. Leider haben sich vor die Savoyer Alpen
Wolken geschoben, aber der Blick auf den See fasziniert so, daß wir
beschließen, außer Programm in Montreux eine Pause einzulegen.
Leider reicht die Zeit nicht, die ganze fünf Kilometer lange von
subtropischer Vegetation beschattete Uferpromenade entlang zu
bummeln, doch können wir die durch Luxushotels geprägte Atmosphäre
genießen. Vielleicht können wir ein anderes Mal auf einen der
Raddampfer umsteigen und zum Schloß Chillon fahren.
Die wenigen Kilometer zum
Schloß Chillon sind mit unserem Bus rasch zurückgelegt. Der
Aufenthalt ist als Kaffeepause vorgesehen. Ich überlege, ob nicht
bei künftigen Reisen eine Schloßführung eingeplant werden soll, die
dann allerdings wieder zu Lasten des Aufenthaltes in Zermatt gänge,
wo der spätere Nachmittag doch der Einstimmung dienen soll.
Das Tal der Rotten – so
nennen die Deutschschweizer die Rhone - fahren wir aufwärts bis
Visp, um in das Mattertal einzubiegen. In Täsch heißt es dann für
uns alle, also auch für unseren Fahrer Andi, umsteigen in den
Pendelzug nach Zermatt.
Von unserem Hotel Ambassador
wird uns der Elektrowagen zum Transport des Gepäcks
entgegengeschickt, auch wenn der Weg nicht weit ist. Eine Dame
unserer Gruppe genießt die Fahrt mit diesem bei uns doch nicht
alltäglichen Fahrzeug.
Während ein Teil der Gäste
durch den Ort bummelt, der ja Fußgängerzone ist und in dem man nur
auf die fast lautlosen Elektrofahrzeuge achten muß, genießen etliche
die Annehmlichkeiten des ****Hotels. Das Hallenbad ist eine wirklich
feine Sache. Abends sind wir bei einem vorzüglichen Mahl vereint, am
nächsten Morgen läßt das Frühstücksbuffet keinen Wunsch offen.
Am Morgen des dritten
Reisetages wollen wir den Blick auf die Zermatt umgebenden
Bergriesen werfen – es bleibt beim Wollen, da alle Berge
wolkenverhangen sind. Also kommt eine Fahrt mit der höchsten
Luftseilbahn Europas zur Nordwand des ‚Klein Matterhorns’ nicht in
Frage, ‚nur’ die Auffahrt mit der Gornergratbahn bietet sich an. Bis
auf zwei Gäste, die schon früher dieses Erlebnis gehabt haben,
entschließen sich alle zur Fahrt. Und niemand bereut es! Auch wenn
die Sicht nicht für Bilder eines Prospektes oder Plakates ausreicht,
so ist allein schon die Fahrt, die durchwegs im freien Gelände bis
auf über 3ooo m Höhe hinaufführt, ein Erlebnis. Jeder genießt diese
Fahrt; oben kann ich nicht einmal alle Gäste zum Aufstellen für das
Gruppenbild bewegen, da der Gipfelsturm verständlicherweise
wichtiger ist.
Wir alle lassen den Blick
rundum schweifen und erahnen die Viertausender hinter den Wolken,
was auch seinen Reiz hat. So vergeht die Zeit in Windeseile, jeder
kann aber beliebig lange die Höhenluft genießen. Da sich
Niederschläge ankündigen, fahren wir in kleineren oder größeren
Gruppen glücklich und zufrieden am frühen Nachmittag wieder nach
Zermatt zurück.
Wieder in Zermatt ist aber
der Tag noch nicht gelaufen. Auf dem Ortsbummel ‚trifft man sich’
und bewundert die alten Holzhäuser. Ein besonderer Anziehungspunkt
ist die Kirche mit ihren Glasfenstern und dem Bergsteigerfriedhof.
Über meine Empfehlung wird
das Matterhorn Museum von vielen Gästen aufgesucht. Der Besucher
bewegt sich dort nicht in einem öden Museum mit Glasvitrinen sondern
in einem versunkenen Dorf, das von Archäologen freigelegt worden
ist. Einerseits werden die Dokumentation zur Erschließung der
Zermatter Berge, insbesondere über die Erstbesteigung des
Matterhorns, und die alpinistische Ausrüstung der Pionierzeit
präsentiert, andererseits wird aber auch der geologische Ursprung
des ‚Berges der Berge’ nahegebracht – das Matterhorn ist nämlich
kein Schweizer Produkt sondern ein afrikanisches!
Da sich am Morgen des
vierten und letzten Reisetages unser Fahrer Andi von Täsch aus ganz
allein mit dem Bus schon frühzeitig auf den Weg nach Chur begeben
muß, ist die der aktuellen Wetterlage angepaßte Fahrtstrecke am
letzten Abend festzulegen. Da eine Bahnverladung für unseren
übergroßen Bus im Zuge des Furka-Tunnels nicht möglich ist, kommen
nur die Strecke über Bern und Luzern oder aber die Fahrt über den
Simplonpaß zum Langensee und dann durch den San-Bernardino-Tunnel
nordwärts in Betracht. Gemeinsam mit unserem Hoteldirektor und der
äußerst hilfsbereiten Dame an der Rezeption durchforsten wir die
Straßenzustands- und Wettermeldungen. Als Fahrtstrecke kommt dann,
trotz des weiteren Weges, nur die Fahrt über den Simplonpaß nach
Italien und ins Tessin in Frage. Um es gleich vorwegzunehmen: Die
Streckenwahl hat sich als richtig erwiesen. Andi kann uns pünktlich
am Bahnhof in Chur, dem Endpunkt unserer Eisenbahnfahrt, abholen. An
dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön an das Hotel Ambassador in
Zermatt für die außerordentliche Hilfe!
Der vierte und letzte Reisetag, der der ganzen Reise seinen Namen gegeben hat, bricht also an. Unser Gepäck wird vor dem
Hotel verladen und – wie könnte es anders sein – mit dem
Elektrowagen zum nahen Bahnhof gebracht. Daß für unsere Gruppe –
immerhin zählen wir mit mir nur 41 Personen, sodaß einige Plätze
frei bleiben – ein ganzer Waggon reserviert ist, ist eine besondere
Dienstleistung von ‚Matterhorn Gotthard Bahn’ und ‚Rhätischer Bahn’,
die gemeinsam den Glacier Express betreiben. Im
Großraumpanoramawagen fühlen wir uns gleich wohl; an alle Gäste kann
ich die aufliegenden Broschüren verteilen und auch die Kopfhörer,
damit während der Fahrt die Durchsagen zur Strecke vernommen werden
können.
Die Streckenführung ergibt
sich aus der in der Broschüre enthaltenen Landkarte. Die noch im
Vorjahr in Brig notwendig gewesene Fahrtrichtungsänderung ist durch
eine Neubaustrecke nicht mehr erforderlich, sodaß sich die
Fahrstrecke des ‚langsamsten Schnellzuges der Welt’ geringfügig
reduziert.
Auch wenn – wie am Vortag –
die Sonne nicht immer lacht und oftmals Wolken über den Bergen
hängen, die Stimmung ist bestens. Wer nicht gerade die
vorüberziehende Landschaft im Auge hat, unterhält sich angeregt.
Aber auch ein Kartenspiel zwischendurch ist angesagt.
Rasch vergeht der Vormittag.
In zwei Durchgängen nehmen wir das Mittagessen im nostalgischen
Speisewagen ein. Dabei ergibt es sich, daß der Zug gerade durch den
15.4 km langen Furka-Tunnel fährt, was – bei gedämpftem Licht im
Wagen – die Romantik noch erhöht.
Als ‚Drüberstreuer’ kredenzt
unsere aus Böhmen stammende Kellnerin – das für die Gastronomie
zuständige Personal ist international – noch Hochprozentiges, das
sie gekonnt in die Gläser füllt. Eine Meisterleistung!
Ein besonderes Erlebnis ist
gegen Ende der Reise die Fahrt durch die Vorderrheinschlucht, die
Landschaft ist überwältigend. Auf dem Wasser tummeln sich Kanu- und
Schlauchbootfahrer. Für unsere Photographen sicherlich ein Nachteil,
daß sich die Fenster unseres modernen klimatisierten Waggons nicht
öffnen lassen.
In Chur müssen wir also den
Zug, der bis St. Moritz weiterfährt, verlassen und in unseren
vertrauten Bus umsteigen. Einhelliger Tenor: Es ist eine
wunderschöne Fahrt gewesen! Im Fürstentum Liechtenstein kann ich
dann endlich einmal die ganze Gruppe ins Bild bekommen, die Freude
über die erlebnisreichen Tage in der Eidgenossenschaft ist noch
allen Gästen, zu denen sich für das Bild auch unser Andi gesellt,
anzumerken.
Im Arlberggebiet zeige ich noch einen Schweiz-Film, ab Landeck leert sich dann langsam wieder der Bus. Was mir zusätzlich bleibt, ist neben der Erinnerung an die Fahrt durch unser so schönes Nachbarland noch für meine Reiseandenken-Sammlung ein weiteres extra schräges Glacier Express Glas.
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