St. Margarethen
im Gewitterregen |
Das fünfte Mal also leite ich die von mir für einen Tiroler Reiseveranstalter ausgearbeitete ‚musikalische Kulturreise’ in unser jüngstes Bundesland, die jeweils mit einem besonderen kulturhistorischen Erlebnis abgeschlossen wird. Auch wenn heuer die Wetterverhältnisse wirklich nicht ideal sind, so kehrt doch jeder Gast mit unvergeßlichen Erinnerungen heim. Am 15. August 2oo8 fahren
wir von Tirol über Salzburg, wo die letzten Gäste zusteigen,
Richtung Osten. Da von der Autobahn die Aussicht auf die schöne
Landschaft unserer Heimat durch Lärmschutzwände über große Strecken
gar nicht mehr möglich ist, eignen sich diese bestens zur Vorführung
von Filmen. Ich zeige zwei Filme über die Geschichte des
Römersteinbruches von St. Margarethen im Zusammenhang mit den
Musikfestspielen, die als Einführung auf die abendliche Aufführung
mit Begeisterung aufgenommen werden. Nach dem kleinen Mittagessen im
Rasthaus St. Pölten erreichen wir schon am frühen Nachmittag unser
vollständig ausgebuchtes Hotel in Mörbisch.
Der Nachmittag dient der
Erholung und Einstimmung. Nach dem bewußt frühen Abendbuffet treffen
wir uns im Bus, in der Vorfreude auf den heutigen Abend strahlende
Gesichter empfangen mich. ‚La Traviata’, die ‚Vom Wege Abgekommene’
steht in St. Margarethen auf dem Spielplan.
Sodann fahren wir über Rust
zum nahen Römersteinbruch, wobei sich bereits drohend schwarze
Wolken am Himmel auftürmen und es am Parkplatz schon leicht regnet.
Somit müssen wir im Bus auf eine sicherlich schöne, hoffentlich
halbwegs trockene Aufführung anstoßen. Gerne betätige ich mich als
Mundschenk.
Der stärker einsetzende
Regen kann die frohe Stimmung nicht trüben, wir alle freuen uns auf
Verdis ‚La Traviata’. Ganz unerwartet regnet es aber während des
ersten Aktes nicht mehr, wir genießen die Atmosphäre mit der
wunderbaren Musik und den exzellenten Stimmen in den von gewaltigen
Sandsteinfelsen umgebenen Bühnenaufbauten.
Im Hinblick auf das drohende
Unwetter gibt es nur eine technische Pause vor dem zweiten Akt, zu
dessen Beginn Regen einsetzt, der dann nicht mehr aufhören will.
Trotzdem die Gewandung der Künstler bestimmt schon sehr naß und
schwer sein muß, singen diese in gewohnt hervorragender Manier
weiter und ernten mit Recht gewaltigen Applaus. Wir Zuschauer
hingegen hüllen uns in Regenschutz und sehen aus wie Teilnehmer
einer Arktisexpedition.
In aller Eile wird der
Bühnenumbau zum dritten Akt vollzogen, aus dem Dauerregen wird ein
Gewitterregen. Während rundum Blitze die dunkle Nacht erhellen,
erfreuen wir uns an der einmaligen Inszenierung des dritten Aktes,
bis es dann knapp vor dem Bühnentod der Violetta für Künstler und
Zuschauer untragbar wird. Die Aufführung muß abgebrochen werden,
Violetta verabschiedet sich mit einem gekonnten Hofknicks. Im
starken Regen, der die Wirkung naturgemäß beeinträchtigt, wird das
von passender Musik begleitete Feuerwerk abgebrannt.
Genau eine Woche vor unserer Aufführung bin ich bereits im Römersteinbruch gewesen, auch damals hat die Aufführung der ‚La Traviata’ wetterbedingt abgebrochen werden müssen. Die dabei von mir aufgenommenen Bilder habe ich in der Vorschau für diese Reise verwertet. Während nach dem zweiten von mir erlebten Abbruch die Zuschauermassen im Gewitterregen zu den Fahrzeugen streben, erklingen – gleichsam als Vorschau für das Jahr 2oo9 – die bekanntesten Melodien aus Verdis ‚Rigoletto’. Fast die ganze Nacht folgt
ein Gewitter auf das andere, am nächsten Morgen aber wagt sich die
Sonne zaghaft zwischen den Wolken heraus und verkündet uns einen
heiteren Tag. Da muß ich für meine Gäste natürlich noch ein
besonderes Erlebnis organisieren. Wir wollen mit dem Schiff durch
den Schilfgürtel und vorerst an der Seebühne vorbei, die von der
Seeseite natürlich ganz anders aussieht als wir sie am Abend dann
erleben werden. Dreiunddreißig Gäste machen diesen Ausflug mit
Freude mit.
Der Schiffsführer bringt uns
nahe zu einer kleinen Insel, die die österreichisch-ungarische
Grenze markiert und klärt uns über den See mit seinem Schilfgürtel
im allgemeinen sowie die Tierwelt im besonderen auf, bevor wir nach
einer knappen Stunde den Hafen von Illmitz erreichen. Während es an
Deck noch frisch ist, fühlen sich die Gäste im Schiff so richtig
wohl.
Am Ostufer des Neusiedler
Sees angelangt werden wir schon von einer Kutsche vom Vinzenzhof
Gangl erwartet. Ein Gast begrüßt die beiden vorgespannten ‚Damen’,
alle Gäste steigen über eine Leiter in die Kutsche, die bis auf den
letzten Platz gefüllt wird – die Fahrt beginnt.
Für mich bleibt der Platz
neben dem Kutscher David, der uns kenntnisreich und humorvoll mit
der Tier- und Pflanzenwelt des Nationalparks Neusiedler See –
Seewinkel bekanntmacht. Gespannt lauscht alles den nicht mehr enden
wollenden Ausführungen an ‚seine Herrschaften’.
So vergeht die Zeit wie im
Flug, wir erreichen Illmitz und kehren dort in dem mir von früheren
Ausflügen bekannten Vinzenzhof ein – schließlich weiß ich, wo man
gut essen und trinken kann. In lustiger Runde vergeht die Zeit, auch
unsere Jüngste ist mit ihrer Mutti begeistert. Neben der flüssigen
Nahrung, vor allem in Form des Merlot, haben es uns allen die kalten
Braten angetan. Während der eine aber intensiv Küche und Keller
testet ist der andere bei einem Glas genauso fröhlich.
Der Rückweg zum Hafen von
Illmitz führt uns durch die Weingärten und beschert uns unerwartete
Begegnungen. Für mich natürlich wieder Gelegenheit, für weiteres
Bildmaterial zu sorgen.
Vom Illmitzer Hafen fahren
wir auf dem kürzesten Weg zurück nach Mörbisch, es bleibt noch
genügend Zeit zur ‚Erholung von der Erholung’ und für das
Abendbuffet. Zeitgerecht vor der Aufführung auf der Mörbischer
Seebühne bringt uns unser Fahrer zum Veranstaltungsort, wo wir noch
die Stimmung genießen können. Infolge der starken Regenfälle hat es
ziemlich abgekühlt, doch macht uns das ‚Weiße Rößl’ wieder warm.
Die bekannten zündenden
Melodien erfreuen das Ohr, die Regie läßt sich für das Auge viel
einfallen. Trotzdem haben einige Stammgäste den Eindruck, als ob
manche Stimme nicht so besetzt ist wie man es von Aufführungen
vergangener Jahre gewohnt ist. Immer wieder schweift aber das Auge
von der Bühne mit ihrem ‚falschen Mond’ zum Himmel, gilt es doch,
ein seltenes Naturschauspiel zu betrachten, nämlich eine partielle
Mondfinsternis, die dann nach Ende der Vorstellung ihr Maximum
erreicht.
Wie immer wird aber die
Vorstellung mit einem gewaltigen Feuerwerk abgeschlossen, das die
mehr als 6ooo Zuschauer mit Begeisterung verfolgen.
Der dritte und letzte Tag
unserer Reise führt uns bei sonnigem und warmem Wetter in das
Bundesland Niederösterreich mit seinen im Marchfeld gelegenen
Schlössern. Für heuer habe ich den Besuch im kaiserlichen Festschloß
Hof, Österreichs größter Schloßanlage auf dem Lande, vorbereitet.
Meine Gästen habe ich bereits am Anreisetag mit Unterlagen versorgt
und führe im Bus nur kurz in die Geschichte ein, da ich nämlich
unserer lieben Schloßführerin nicht vorgreifen will. Schließlich ist
es immer Sache des örtlichen Führers, das Spezialwissen an den Mann
zu bringen. Den größten Teil der Gruppe kann ich im Ehrenhof vor dem
Neptunbrunnen im Bild festhalten, an der linken Flanke unsere
Schloßführerin. Das ist vorerst mein letztes Bild, da im Schloß
nicht photographiert werden darf.
Was dann folgt, ist ein
kunst- und kulturhistorisches Erlebnis für Auge und Ohr. Zu den
Sälen mit Einrichtung und Kunstschätzen bekommen wir nicht nur das
Wesentliche vermittelt sondern auch Hintergrundinformationen, sodaß
die vorgesehene Führungszeit weit überschritten wird. Von einem für
mich geöffneten Fenster kann ich den barocken Festgarten mit dem
Schloßparterre im Bild festhalten, der der ‚Sala terrena’, dem
Verbindungsraum vom Schloß zum Garten, vorgelagert ist. Dort kann
ich dann mit Prinz Eugen von Savoyen noch den Erbauer des Schlosses
aufnehmen, der landläufig nur als Feldherr bekannt ist, der aber
auch als Förderer von Kunst und Wissenschaft in die Geschichte
eingegangen ist.
Im barocken Festgarten
verweilen wir noch und genießen den Blick auf das Schloß. Dann aber
rasch zum Meierhof, wo ich noch eine Parade von Wasservögeln
abnehmen kann.
Da sich bei uns der Hunger
meldet, fallen wir in den mir empfohlenen Gasthof ‚Prinz Eugen’ ein.
Besser hätten wir es gar nicht treffen können. Ob Fleisch, ob Fisch,
ob Mehlspeisen – jeder lobt die so hervorragende Küche. Vom dortigen
Preis-Leistungs-Verhältnis können wir in Tirol oder Salzburg nur
träumen.
Auch wenn wir noch lange unter den Sonnenschirmen hätten verweilen wollen, wir müssen endgültig die Heimreise antreten. Während der Fahrt leeren wir noch die letzte Flasche Sekt, trinken gerne auf das Wohl der Frau KR Kröll und freuen uns über die gelungene Reise. Einstimmiger Tenor: Es ist wieder gelungen, Kultur, Wissensvermittlung und Natur miteinander zu verbinden und ganz gemütlich drei schöne Tage harmonisch zu verbringen. |