Perlen der Ostsee

 

Seit dem Fall des ‚Eisernen Vorhanges’ und dem Zerfall der Sowjetunion ist das Reisen auch in die an die Ostsee grenzenden Staaten, vor allem in die neu bzw. wieder geschaffenen, erheblich leichter geworden. Diesen Umstand nutzen viele Reiseveranstalter, um Reisen an die Ostsee anzubieten. Gerade die drei baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland sind dabei bevorzugte Reiseländer, die lediglich in der Zeit der Sowjetunion vereint gewesen waren, die sich aber hinsichtlich Bevölkerung, Kultur und Sprache ganz wesentlich voneinander unterscheiden.

Neben der Flugreise nach St. Petersburg leite ich heuer eine weitere Reise in das Ostseegebiet, wobei diese aber mit dem Fernreisebus eines Tiroler Unternehmens erfolgt, um den Gästen auf der Rundfahrt möglichst viel zeigen zu können. Folgen Sie mir also am 26. Juli 2oo8 auf eine neuntägige Reise und lassen Sie sich von der Vielfalt der Eindrücke überraschen.

Wir starten in Tirol bzw. Salzburg und fahren – natürlich mit entsprechenden Pausen - bis in die alte und neue Hauptstadt Deutschlands. Den späten Nachmittag bzw. den Abend nutzen wir zu einem erkundigenden Stadtbummel - Berlin ändert sich ja nach wie vor ständig. Am zweiten Reisetag geht es weiter bis Danzig. Da diese alte deutsche Hansestadt von Berlin nicht einmal 5oo km entfernt ist, kommen wir noch in den Genuß einer halbtägigen Stadtführung.  

Das architektonische Erbe der Hanse ist unübersehbar. Die reich verzierten Bürgerhäuser und öffentlichen Gebäude aus der ‚goldenen Zeit’ der Stadt im Stil des Danziger Manierismus geben Danzig - bis zum März 1945 eine deutsch geprägte Stadt - ihren liebenswerten Charme. Das heutige Polen wird sich aber der deutschen Geschichte mehr und mehr bewußt. Lassen wir uns die bedeutendsten historischen Bauwerke nahe bringen, nicht nur mit dem Krantor das meistphotographierte Gebäude Danzigs sondern auch das Hohe Tor, das Goldene Tor und die Große Mühle. Mit der Marienkirche, die 25.ooo Personen Platz bietet, bewundern wir die größte Backsteinkirche der Welt.

Mit Danzig haben wir die erste ‚Perle der Ostsee’ erreicht. Doch die nächste folgt sogleich mit der Marienburg, der Perle unter den Ordensburgen in Preußen. Sie ist Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens durch fast 15o Jahre gewesen, der dann nach Königsberg verlegt worden ist. In ihrer wechselvollen Geschichte hat die größte aus Backstein erbaute Burg in Europa verschiedene ‚Herren’ gehabt. Seit 1959 wird die im Zweiten Weltkrieg zum Teil zerstörte Marienburg von Polen wiederaufgebaut; 1998 ist sie von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden.

Weiter geht die Fahrt. Auch am dritten Reisetag bleiben wir im Gebiet des ehemaligen Ostpreußen. Bei Heiligenbeil, wo die russische Reisebegleitung als Dolmetsch zu uns stößt, überqueren wir die nunmehrige polnisch - russische Grenze mit dem Ziel Königsberg. In der im Spätmittelalter von deutschen Siedlern gegründeten Stadt hat an der ersten evangelischen Universität des Reiches Immanuel Kant als Philosophieprofessor gelehrt. Auch wenn die historische Altstadt im Zweiten Weltkrieg fast zur Gänze zerstört worden ist, so können doch noch Sehenswürdigkeiten aus preußischer Zeit besichtigt werden wie Teile der alten Stadtbefestigung, die Universität mit dem Kantdenkmal, die Alte Börse und der Dom. Heute ist Königsberg die westlichste Großstadt Rußlands und als eisfreier Seehafen ein wichtiger Standort für die Werftindustrie. An der Küste wird seit dem Altertum Bernstein gewonnen, der seinerzeit auf den sogenannten Bernsteinstraßen als begehrte Handelsware in das Römische Reich transportiert worden ist. Der Bernsteinabbau, der in verschiedenen Museen dokumentiert wird, ist so bedeutend, daß der Tiroler Veranstalter die gegenständliche Reise ‚Bernsteinküste’ nennt.

Nach der Stadtbesichtigung von Königsberg steht am vierten Reisetag ‚Natur pur’ auf dem Programm, nämlich die Fahrt entlang des Kurischen Haffs, wobei wir die russisch - litauische Grenze passieren. Das Haff, in welches die Memel mündet, ist Teil der Ostsee, wird aber von dieser durch die Kurische Nehrung getrennt. Nur am nördlichen Ende von Haff bzw. Nehrung ist ein schmaler Durchlaß, an welchem sich die alte deutsche Hansestadt Memel befindet. So wie Königsberg hat sie eine wechselvolle Geschichte durchgemacht und ist im Zweiten Weltkrieg ebenfalls stark zerstört worden. Wir besichtigen die malerische Fachwerkaltstadt und vor dem Theater den Brunnen mit dem ‚Ännchen von Tharau’. Ob wir bei unserem Besuch dort wieder den Harmonikaspieler, der das Lied intoniert, antreffen werden wie ich seinerzeit?
 


 


 

Weiter geht es vorerst noch durch Litauen, wobei wir Schaulen passieren, um dann am ‚Berg der Kreuze’ Aufenthalt zu nehmen. Pilger haben auf einem Hügel am Kulpe-Ufer Kreuze aus den verschiedensten Materialien aufgestellt und mit Rosenkränzen und Heiligenbildern behängt. Sie symbolisieren eine Bitte oder sind Ausdruck des Danks. In der sowjetischen Zeit ist das ausgedehnte Denkmal über Veranlassung der Obrigkeit immer wieder zerstört worden - die Gläubigen haben die Kreuze jeweils wieder aufgestellt. Frömmigkeit und politischer Widerstand sind Hand in Hand gegangen. Auch heute noch wächst der Kreuzberg als die Pilgerstätte der litauischen Gläubigen.
 


 

Am Nachmittag des fünften Reisetages erreichen wir die alte Hansestadt Riga, nunmehr Hauptstadt der Republik Lettland, die wir vorerst auf eigene Faust erkunden wollen, deren Altstadt uns aber am nächsten Vormittag eine örtliche Stadtführerin nahe bringt. Große und Kleine Gilde sowie Schwarzhäupterhaus, um nur einige profane Gebäude zu nennen, sowie Dom und Petrikirche gilt es zu besichtigen. Und dazu jede Menge Jugendstilhäuser, die reiche Kaufleute haben errichten lassen. Eine wirklich interessante um nicht zu sagen schöne Stadt.
 


 


 

Aber auch von Riga heißt es Abschied nehmen, müssen wir doch am sechsten Reisetag eine weitere seinerzeitige Hansestadt erreichen, nämlich Reval, heute als Tallinn Hauptstadt der Republik Estland. Unter der Herrschaft des Deutschen Ordens hat die Stadt eine Blütezeit erlebt, die im Stadtbild mit den gotischen Gebäuden, den Türmen und der Stadtmauer bleibende Spuren hinterlassen hat. Aber auch Schweden und Rußland haben in ihren Epochen das Stadtbild geprägt. Eine heimische Stadtführerin macht uns am nächsten Vormittag mit den wichtigsten Gebäuden vertraut, in der Oberstadt mit Dom, Newski-Kathedrale und Schloß, in der Unterstadt mit Nikolaikirche, Rathaus und Schwarzhäupterhaus.
 


 


 

Am Nachmittag des siebten Reisetages fahren wir mit unserem Bus zum Hafen und schiffen uns auf eines der riesigen Fährschiffe ein mit dem Ziel Helsinki. Ein grandioses Erlebnis ist die Einfahrt in den Hafen der finnischen Hauptstadt, dem hunderte kleine und kleinste Inseln vorgelagert sind. Der Aufenthalt ist aber nur kurz, haben wir doch noch einen langen Seeweg zurückzulegen. Freuen wir uns auf die Erholung auf See, den Sonnenuntergang und den bekannt guten Komfort des Fährschiffes, natürlich aber auch auf die gute Bordverpflegung. Länger als 24 Stunden genießen wir die Schiffahrt und erreichen am Abend Rostock, wieder eine alte Hansestadt, nunmehr die wirtschaftlich bedeutendste Stadt des deutschen Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Die letzte Nacht auf dieser Reise verbringen wir wieder auf festem Boden.

Von Rostock mit seinen von der Hanse geprägten gotischen Backsteinhäusern bekommen wir aber nur bei der Fahrt durch die Stadt am Morgen des neunten und letzten Reisetages etwas mit, da wir nach dem Frühstück gleich die Heimreise antreten müssen. Auf der letzten gemeinsamen Busfahrt können wir noch über die Erlebnisse plaudern und die Eindrücke besprechen. Die Möwen als unsere treuen Begleiter in den Hafenstädten und auf See vermissen wir allerdings. Eine hochstehende Kulturreise geht mit der Ankunft in Salzburg bzw. Tirol zu Ende.