Hohe Tatra - Zips


 

Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr bin ich mit meinen Gästen in dieses hinsichtlich Kultur und Natur so unglaublich begünstigte und somit hochinteressante Gebiet gefahren. Nach der Frühlingsreise dann die Herbstreise vom 26. bis 3o. September 2oo5.

Auf der Anreise ein Aufenthalt in Preßburg, der Hauptstadt der jungen Republik Slowakei. Bei einem Stadtrundgang bummeln wir mit unserer Stadtführerin durch das Stadtzentrum und hören viel aus der Geschichte und über die Gegenwart der Stadt.
 


 

Nach dem Mittagessen geht die Fahrt weiter, durch das Waagtal nach Norden und sodann nach Osten, vorbei am Liptauer See, und weiter bis in das Gebiet der Hohen Tatra, wo wir allerdings nicht in Tatra-Lomnitz unser Hotel beziehen sondern im Nachbarort Altschmecks.

Am zweiten Reisetag dann in die ‚deutsche’ Zips, wobei wir mit Leutschau beginnen. Mit einer ganz ausgezeichneten Stadtführerin erkunden wir in der Stadtmitte nicht nur die allseits bekannten Sehenswürdigkeiten sondern schauen auch in Innenhöfe hinein und entdecken so manch ein städtebauliches Juwel.
 


 

Hauptsehenswürdigkeit in Leutschau ist allerdings die Jakobskirche mit dem 18.62 Meter hohen Hauptaltar, dem höchsten gotischen Altar der Welt, gefertigt von Meister Paul aus Leutschau. Andächtig verharren wir vor dem für uns im Rahmen der Führung angestrahlten sakralen Kunstwerk und lauschen der Erklärung. Auch vier der vierzehn Seitenaltäre sind das Werk des heimischen Künstlers. Der achteckige neugotische Kirchturm ist derzeit allerdings eingerüstet. Trotz des bautechnischen Stilunterschieds passt das neben der gotischen Kirche ebenfalls freistehend erbaute Renaissancerathaus mit seinen wuchtigen Bogengängen bestens zur Bebauung des Marktplatzes, die durch das Waagenhaus vervollkommnet wird.
 


 

Nach dem gemütlichen Mittagessen in einem heimeligen Kellerlokal geht es dann weiter zur kleinen Stadt Zipser Kapitel. In der Martinskathedrale neuerlich bei einer Führung das Versenken in die Zipser Gotik. Und dann weiter zur Zipser Burg, doch ist dort leider keine Besichtigung möglich. Einige Tage vor Beginn unserer Reise haben dort Dreharbeiten für einen Film begonnen, sodaß die Zufahrt zum Parkplatz gesperrt ist und wir nicht einmal bis zur Burgmauer vordringen können. Wir müssen uns mit dieser Situation abfinden und zur Kenntnis nehmen, daß bei Zusammenstellung der Reise dieser Umstand nicht hatte bekannt sein können. Es ist eben eine Änderung, für die Verständnis aufgebracht werden muß.

Da somit mehr Zeit für weitere Vorhaben zur Verfügung steht, legen wir einen Halt in Graubart ein. Im kleinen Naturschutzgebiet auf einem Kalkplateau dieser Gemeinde bietet eine frei zugängliche Mineralquelle wohlschmeckendes Glaubersalz-Wasser. Der kleine Geysir daneben spritzt etwa alle fünf Stunden zehn Minuten lang Wasser fünf Meter in die Höhe - es wäre des Glücks zuviel gewesen, hätten wir gerade den richtigen Zeitpunkt erraten.



Auf dem Rückweg in unser Hotel will ich meinen Gästen noch ein Schmuckstück der Zipser Gotik zeigen, doch leider ist in Donnersmark nur eine Außenbesichtigung der Ladislaus-Kirche mit der angebauten Kapelle möglich. Infolge der Semesterferien sind nämlich die im benachbarten Priesterseminar untergebrachten Theologiestudenten nicht anwesend, sodaß uns niemand die Kirche aufsperren kann. Aber auch die Außenbesichtigung allein ist den Abstecher wert.

Der dritte Reisetag dann voll mit weiteren Höhepunkten, die wir aber alle ganz gemütlich schaffen. Käsmark mit seinen Sehenswürdigkeiten steht auf dem Programm. Vor dem Hintergrund des Tatra-Panoramas das evangelische Lyzeum, die Artikularkirche und die Neue evangelische Kirche. Daneben die Baustelle der griechisch-katholischen Kirche. Unser Stadtführer erwartet uns.

Das evangelische Lyzeum zählte zu den bedeutendsten Bildungsanstalten im alten Ungarn. Zusätzlich zum ursprünglichen Gymnasium wurden hier nach 1777 auch akademische Fakultäten für weiterführende Studien eingerichtet. Heute noch beherbergt das Gebäude eine bedeutende historische Schulbibliothek mit etwa 15o.ooo Bänden, worunter sich auch Inkunabeln und zahlreiche Druckwerke aus dem 16. Jahrhundert befinden. Wie uns die Bibliothekarin erzählt, ist sie derzeit noch mit dem Katalogisieren der nach dem Krieg völlig durcheinander geratenen Bibliothek beschäftigt; diese arbeitsintensive Tätigkeit wird sie noch 6o Jahre in Anspruch nehmen, sodaß sie erst ‚mit 1oo wird in Pension gehen können’.

Von außen ist die Artikularkirche nicht gleich als Gotteshaus zu erkennen, was historisch zu erklären ist. 1681 wurde der Bau evangelischer Kirchen zugelassen, aber durch Paragraphen, Artikel oder Artikularien streng reglementiert. Die Kirchen mußten innerhalb eines Jahres gebaut werden und außerhalb der Stadtmauern stehen, als Baumaterial durfte nur Holz verwendet werden, Türme, Glocken und Eingänge zur Hauptstraße waren verboten. So schlicht die Kirche mit ihren kleinen Fenstern von außen ist, so prächtig ist ihr Inneres. Über dem Eintretenden öffnet sich ein strahlend blauer paradiesischer Himmel. Üppige barocke Schnitzereien tragen mit reicher und farbenfroher Malerei zu einem erhabenen Raumerlebnis bei.

Ganz anders die Neue evangelische Kirche, die mit ihren kräftig ziegelroten Mauern eher bizarr aussieht. Sie soll ursprünglich für Jerusalem geplant gewesen sein; ihr Inneres ist schlicht gehalten.



 

Anschließend der Rundgang durch die Stadt, im Mittelpunkt das freistehende Rathaus mit seinem flachen Dach und dem aufgesetzten Turm. An einer Reihe von Bürgerhäusern vorbei geht es zur spätgotischen Heilig-Kreuz-Kirche mit dem frei stehenden Glockenturm im Stile der Zipser Renaissance mit reicher Sgraffito-Verzierung und dekorativer Attika. Nach dem Mittagessen in einem ganz typischen Lokal ruft das massive Bollwerk der Stadtburg, gekrönt von einem nahezu zierlichen Abschluß mit Renaissance-Zinnen. Während der rückwärtige Teil der Burgmauer zugleich Teil der Stadtmauer gewesen ist, gibt es auch zur Stadtseite hin gut ausgebaute Wehrtürme. Die Burgherren waren also nicht immer auf Seiten der Bürger. Heute dient die Burg friedlichen Zwecken, sie ist als Museum zur Geschichte der Stadt und des Tatra-Tourismus eingerichtet.

Und dann die von mir in der Vorschau angedeutete Überraschung, die allerdings in weit größerem Ausmaß glückt als geplant. In Deutschendorf ist es, wo ich im Stadtteil Georgenberg die mehrfach umgebaute spätromanische Georgskirche zeigen will. Just bei unserer Ankunft trifft nämlich auch der Bischof von Graz-Seckau, Dr. Egon Kapellari, ein. So führen wir mit unserem Landmann außerhalb der Kirche und dann in dieser angeregte Gespräche. In der Kirche bewundern wir insbesondere den Hauptaltar, wiederum ein Werk des Meisters Paul aus Leutschau.

Den Abend verbringen wir nicht im Hotel sondern in einem Lokal im Góralendorf Zdiar. Die gemütliche Einrichtung sowie das prasselnde Kaminfeuer sorgen für Stimmung, die Musik der Drei-Mann-Kapelle ist allerdings zeitweise etwas laut.

Am vierten Reisetag dann viel Natur gemixt mit kulturhistorischen Erlebnissen der verschiedensten Art. Auf dem Weg von Altschmecks zur Kleinen Donau fahren wir durch Góralendörfer, deren Häuser besondere Verzierungen aufweisen. Kräftig rot, blau oder grün gestrichen verzierte Außenseiten sind typisch. Wer aber sind die Góralen? Bei den Góralen oder Bergmenschen handelt es sich um einen in diesem Raum, nämlich im Bereich der Beskiden, beheimateten Volksstamm, der seitens Polen zum polnischen Volk gezählt wird, seitens der Slowakei zum slowakischen. Die Góralen sprechen aber eine eigene Sprache, die viel aus dem Polnischen und auch viel aus dem Slowakischen übernommen hat, durchsetzt mit deutschen Fremdworten.
 


 

Die Gründung des Ordenssitzes am Durchbruch der Kleinen Donau wurde wegen seiner Ziegelbauweise dann Rotes Kloster genannt, auch wenn heutzutage von roten Ziegeln nicht mehr viel zu merken ist. Ursprünglich von Kartäusermönchen bewohnt, hat sich später hier der Kamaldulenserorden niedergelassen. Heute dient das Kloster mit seiner gotischen St.-Anton-Kirche als Museum, wobei wir im Zuge der Führung tief in die Kultur der Góralen eindringen.

Aber dann beginnt die Floßfahrt, die wir schon mit Spannung erwarten. Die auf polnischer Seite von der Hohen Tatra kommende Kleine Donau fließt durch hügelige Landschaft nach Osten und frißt sich nahe dem Roten Kloster durch die Felsen des Pieninen-Gebirges durch. Auf zwei Floßen erleben wir die romantische und in keiner Weise irgendwie gefährliche, aber trotzdem mit einem Hauch von Abenteuer behaftete Floßfahrt, begleitet von den Erklärungen der Steuerleute und dem Gesang eines der Góralen, der uns mit wohltönender Stimme mit Liedern in seiner Muttersprache unterhält. Aber auch dieses Erlebnis kann nicht ewig währen; nach der Floßfahrt entweder in der Kutsche oder zu Fuß zum bestellten Picknick, wo im Freien und unter Musikbegleitung kräftig zugelangt wird.



 

Zum Abschluß dieses anwechslungsreichen Tages dann noch der Besuch im Freilichtmuseum von Altlublau. Von den derzeit 25 Gebäuden findet die Michaelskirche, deren Ikonen bis ins Jahr 164o zurückreichen, am meisten Beachtung. Aber auch die gehaltenen Tiere werden bewundert. Am Abend sehen wir uns noch im Hotel den von unserer Floßfahrt aufgenommenen Film an.

Am Rückweg – es steht uns eine lange Fahrt bevor, allerdings zum Teil auf noch nicht bekannter Strecke – lassen wir uns noch durch Schloß Betliar führen. Wir bewundern die Wohnkultur vom 17. bis zum Beginn des 2o. Jahrhunderts sowie die von den Schloßherren gesammelten Objekte, wobei ein Elefantenkopf und eine 4ooo Jahre alte Mumie besonders hervorstechen.

Vorbei an Neutra und Preßburg geht es zurück zu den Ausgangspunkten der Reise, die ich im Jahre 2oo6 wieder zweimal im Programm haben werde.