Hohe Tatra - Zips

 

Begünstigt von herrlichem Frühlingswetter habe ich mit meinen Gästen vom Grand Hotel in Tatra-Lomnitz aus, wo wir bestens untergebracht gewesen sind, Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung unternommen. Doch der Reihe nach der Bericht über die Reise vom 25. bis 29. Mai 2oo5, wobei ich vorausschicke, daß es für alle geographischen Begriffe deutsche, ungarische und slowenische Bezeichnungen gibt. Ich verwende aber einheitlich die Begriffsbezeichnungen, somit auch die Ortsnamen, in unserer Muttersprache.

Auf der Anreise hat uns eine einheimische Stadtführerin Preßburg, die Hauptstadt der jungen Republik Slowakei, gezeigt – soweit dies eben in zwei Stunden möglich ist. Von der die Silhouette der Stadt bestimmenden Burg haben wir auf die Donau und die jenseits des Stromes erbauten Satellitenstädte hinuntergesehen, der Bummel durch das Zentrum hat uns Kirchen und Paläste entdecken und viele Ähnlichkeiten mit Gebäuden etwa in Wien oder Budapest feststellen lassen. Wir haben einen Überblick über die Geschichte der Stadt, die 247 Jahre Hauptstadt des Königreichs Ungarn gewesen ist und in deren St.-Martins-Dom zehn Könige, eine Königin, nämlich Maria Theresia, und acht Königsgemahlinnen gekrönt worden sind, erhalten. Aber auch das pulsierende Leben der Gegenwart haben wir hautnah erlebt sowie die Fußgängerzone vor dem Slowakischen Nationaltheater, das für seine Opernaufführungen bekannt ist.

 

Nach dem Mittagessen in einem für Preßburg typischen Lokal haben wir die doch etwas lange Anreise zu unserem Urlaubsort fortsetzen müssen, um nicht zu spät abends in unserem Hotel anzukommen. Auf der Fahrt durch das Waagtal dann Ausblicke auf eine liebliche Landschaft, auf kleine Städte und vor allem auf Ruinen einst mächtiger Burgen.

Am zweiten Reisetag dann in die ‚Deutsche’ Zips mit einem doch etwas umfangreichen Besichtigungsprogramm, das mit Käsmark begonnen hat. Die im Innenraum überaus reich geschmückte Artikularkirche aus dem Jahre 1717 – sicherlich die schönste Kirche dieser Art weit und breit – hat Bewunderung hervorgerufen, zumal uns die deutschstämmige Kirchenführerin aus übervollem Herzen die Besonderheiten der Kirche erzählt hat. Die daneben befindliche Neue evangelische Kirche wurde erst 1898 im neubyzantinischen Stil errichtet und sieht mit ihren ziegelroten Mauen gleichsam bizarr aus.

 

Auf dem anschließenden Rundgang durch die Stadt haben wir noch viele bedeutende Bauwerke besichtigen können, so das freistehende Rathaus mit seinem flachen Dach und dem aufgesetzten Turm, die spätgotische Heilig-Kreuz-Kirche mit dem getrennt stehenden Glockenturm im Stile der Zipser Renaissance oder die vielen Bürgerhäuser mit der für die Tatra-Gegend typischen abgesetzten Giebelfront. 

Die Gotik hat uns weiter im Zipser Kapitel umfangen gehalten; die Martinskathedrale mit ihren Altären und dem Fresko mit der Krönung Karl Roberts von Anjou zum ungarischen König ist ein weiterer Höhepunkt gewesen.



 

Auf einem Hügel und somit alles überragend taucht in der Ferne die Zipser Burg auf, möglicherweise die größte Burgruine Mitteleuropas; sie gehört zu den am meisten photographierten Motiven der Zips. Sie kann mit ihrer Jahrhunderte zurückreichenden Geschichte und ihrem imposanten Mauerwerk als das ursprüngliche Machtzentrum der Region betrachtet werden. 1993 ist die Burganlage, die sich über ca. 4 ha Fläche erstreckt, in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen worden.

Für das Abendessen sind wir aus unserem Hotel ausquartiert worden, da Platz für eine Konferenz der Sicherheitsbeauftragten der EU-Innenminister gebraucht worden ist. In der Goralengemeinde Zdiar haben wir bei Musik und Kerzenlicht aber ganz gemütlich gegessen.

Am dritten Reisetag hat uns der Weg weit nach Süden geführt, zuerst zur Dobschauer Eishöhle, die mit ihrer typischen Vereisung zu den bedeutendsten Eishöhlen der Welt gehört. Ihre Eisausfüllung kommt in Form von Bodeneis, Eisfällen, Eisstalaktiten und Eisstalagmiten sowie Säulen vor. Die größte Dicke der Eisschicht beträgt über 26 ½ Meter.

Der Kontrast könnte dann gar nicht gewaltiger sein: Schloß Betliar nahe Rosenau, einer der Wohnsitze der Andrássys. Aus einer Renaissancefestung ist im 19. Jahrhundert ein herrschaftlicher Ansitz im Stil des Historismus geworden. In den üppig ausgestatteten Räumlichkeiten wird adelige Wohnkultur vom 17. bis zum Beginn des 2o. Jahrhunderts gezeigt. Beeindruckend ist die Privatbibliothek mit etwa 2o.ooo Bänden, ungewöhnlich eines der Reiseandenken der ehemaligen Schloßherren, eine 4ooo Jahre alte Mumie aus Gizeh.
 


 

Auf der Rückfahrt zum Hotel holen wir die Besichtigung von Leutschau nach. In einer Urkunde aus dem Jahre 1261 ist Leutschau als Hauptstadt der Gemeinschaft der Zipser Sachsen erwähnt worden. Den deutschen Siedlern war eine Rechtsprechung nach heimatlicher Gewohnheit zugebilligt worden, wobei Rechtsgrundlage bis 1774 der Sachsenspiegel unter der Bezeichnung ‚Zipser Willkür’ gewesen ist. Seinen Reichtum verdankte Leutschau vor allem dem Handel.

Heute noch hat Leutschau die größte mit Stadtmauern erhaltene Altstadt der Slowakei. Die Bebauung des Marktplatzes verkörpert in beispielhafter Form das Zusammenspiel von Kirche (Jakobskirche), Verwaltung (Rathaus) und Wirtschaft (Waagenhaus). Auf der Ostseite des Platzes das beeindruckende Thurzo-Haus mit seiner ochsenblutroten Fassade, den reichen Sgraffiti und den vielen Giebelzinnen. 
 


 

Das bedeutendste Kunstwerk der Stadt steht sicherlich in der gotischen Jakobskirche, der zweitgrößten Kirche der Slowakei. Es ist der mit 18.62 Metern höchste gotische Altar der Welt, angefertigt von Meister Paul aus Leutschau. Farbenfrohe Tafelmalereien ergänzen die Holzschnitzereien. Vier der vierzehn Seitenaltäre sind ebenfalls das Werk des Meisters Paul. Der achteckige Kirchturm wurde 1857 in neugotischem Stil errichtet. Das Renaissancerathaus gleich daneben verfügt über wuchtige Bogengänge, sein gedrungener Glockenturm wurde barock umgebaut.

Auf dem Weg zum Hotel dann ein Halt im Wald. Am 19. November 2oo4 hat nämlich eine Windhose in dem Gebiet gewütet, der einige dutzend Quadratkilometer Wald zum Opfer gefallen sind. Die Aufräumungsarbeiten sind immer noch im Gange, die Aufforstung wird sich sicherlich Jahre hinziehen.
 


 

Den vierten Reisetag habe ich gegenüber meinen Gästen betitelt mit ‚Auf den Spuren unterschiedlicher Kulturen’. Das Rote Kloster an der Kleinen Donau und das Freilichtmuseum in Altlublau einerseits, die Góralen andererseits.

Auf dem Weg zur Kleinen Donau fahren wir durch Góralendörfer, deren Häuser besondere Verzierungen aufweisen. Kräftig rot, blau oder grün gestrichen verzierte Außenseiten sind typisch. Wer aber sind die Góralen? Bei den Góralen oder Bergmenschen handelt es sich um einen in diesem Raum, nämlich im Bereich der Beskiden, beheimateten Volksstamm, der seitens Polen zum polnischen Volk gezählt wird, seitens der Slowakei zum slowakischen. Die Góralen sprechen aber eine eigene Sprache, die viel aus dem Polnischen und auch viel aus dem Slowakischen übernommen hat, durchsetzt mit deutschen Fremdworten.

Wegen seiner Ziegelbauweise wurde die Gründung des Ordenssitzes am Durchbruch der Kleinen Donau dann Rotes Kloster genannt. Ursprünglich von Kartäusermönchen bewohnt, hat sich später hier der Kamaldulenserorden niedergelassen. Der bekannteste Mönch ist Cyprian gewesen, dessen berühmtes Herbarium mit 272 Pflanzen im Nationalpark-Museum in Tatra-Lomnitz bewundert werden kann. An der Furt beim Kloster beginnt die Floßfahrt – Romantik pur ist angesagt.
 

 

Die Kleine Donau kommt auf polnischer Seite von der Hohen Tatra herunter und fließt ein Stück weit durch die hügelige Landschaft nach Osten, bis sie nahe dem Roten Kloster durch einen felsigen Durchbruch im Pieninen-Gebirge verschwindet. Bereits 1924 wurde das Gebiet unter Naturschutz gestellt, der erste grenzüberschreitende Nationalpark Europas wurde geschaffen. Den Eingang der Schlucht der Kleinen Donau markiert der hohe Drei-Kronen-Berg, der zwar auf polnischer Seite des Flusses liegt, dessen eindrucksvolle Schönheit aber von slowakischer Seite so richtig zu sehen ist.

Die geschäftstüchtigen Góralen erkannten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts die Gunst der Stunde, bauten Floße und luden darauf vorerst die erholungsbedürftigen Sommerfrischler, heute die sensationslustigen Touristen – so auch uns! Auf zwei Floße verteilt hat meine Gruppe gut 1 ½ Stunden lang ein Naturerlebnis genossen, das so schnell niemand hat vergessen können. In gemütlicher Fahrt – teils auf slowakischem, teils auf polnischem Gebiet, da ja die Grenze in der Flußmitte verläuft – ging es flußabwärts, wobei vom Ufer aus ein Kameramann unsere Fahrt gefilmt hat. Als Geck hat mir unterwegs der Steuermann seinen bunten Góralenrock überlassen und mir seinen Hut aufgesetzt. Die Zeit ist aber viel zu schnell vergangen; kurz bevor der Fluß wieder auf rein polnischem Gebiet weiterfließt, haben wir aussteigen müssen und entweder zu Fuß oder mit einer Kutsche ist es zum Picknick gegangen. Landestypisches Essen und Trinken sowie Musik ließen die Stimmung noch weiter ansteigen.

Als kulturhistorischen Abschluß des Tages dann ein Besuch im Freilichtmuseum von Altlublau. Die derzeit 25 Gebäude spiegeln das in dieser Gegend besonders bunte Völkergemisch wider. Wertvollstes Objekt ist die Michaelskirche, deren Ikonen bis ins Jahr 164o zurückreichen. Weiter Besonderheiten sind eine alte Schmiede und eine kleine Schule.

Am Abend diesen abwechslungsreichen Tages heißt es trotz Kaminfeuers und gemütlicher Hotelbar früh schlafen gehen, haben wir doch eine lange Heimfahrt vor.

Auf der Rückreise besuchen wir vorerst Kremnitz, seinerzeit eine der bedeutendsten Bergbaustädte der Region. Im 14. Jahrhundert begannen Einwanderer aus Kuttenberg in Mittelböhmen, dem Sitz des böhmischen Münzhauses, mit der Prägung von Groschen und Dukaten. Das Kremnitzer Münzhaus arbeitet ohne nennenswerte Unterbrechung bis heute und ist somit eines der ältesten Unternehmen der Welt.
 

 

Die Lage von Kremnitz im hügeligen Gelände bereitete Schwierigkeiten beim Anlegen von Straßen. Auffälligste Gebäude am ansteigenden Hauptplatz sind Franziskanerkloster und Rathaus sowie gotische Bürgerhäuser. Mitten auf dem Platz eine überbordende barocke Pestsäule von fast 2o Meter Höhe mit mehr als 6o Figuren.

Vorbei an Goldmorawitz geht es nach Neutra zum Mittagessen und sodann über Preßburg und Wien zurück zu den Ausgangspunkten der Reise.