Vier genußreiche Tagein der Eidgenossenschaft |
Wenn alle meine Gäste am Ende einer Reise vollauf begeistert sind, dann muß es schon besondere Erlebnisse geben. Dabei beginnt gerade diese Reise am Himmelfahrtstag 2oo7 – was nämlich das Wetter betrifft – gar nicht optimal. Bei leichtem Regen starten wir in Salzburg, über Tirol geht es nach Westen in das ‚Ländle’ und rasch ist das Fürstentum Liechtenstein durchquert. Weiter führt die Reise westwärts von einem Kanton der Eidgenossenschaft in den nächsten. Bereits die Busfahrt entlang
des Walensees und des Zürichsees - die Entstehung dieser Seen haben
wir der letzten Eiszeit zu verdanken - stimmt uns auf die Fülle
landschaftlicher Schönheit ein. Bei Wädenswil verlassen wir den
Zürichsee, von der kurvenreichen Landstraße aus genießen wir den
Anblick blitzsauberer von Feldern und Wäldern umgebener Dörfer.
Rasch geht es dann auf der Nationalstraße weiter vorbei am Zuger See
nach Süden und bald schon ist Luzern erreicht, wo wir doch einige
Zeit verbleiben wollen, um trotz des immer noch anhaltenden Regens
zu Fuß die Schönheit der Stadt von beiden Seiten der Reuss aus zu
genießen.
Vom Schwanenplatz
aus bummeln wir über die Kappelbrücke ans linke Reussufer, statten
der barocken Jesuitenkirche einen Besuch ab und ziehen nach einem
Mittagsmahl in einem gemütlichen Lokal weiter. Nach einem Halt am
Nadelwehr, wo von Hand aus der Seespiegel reguliert wird, wechseln
wir über die Spreuerbrücke, deren Besonderheit die Totentanzbilder
sind, wieder auf das andere Flußufer. Immer wieder steigt unser
Blick zur neuntürmigen über 8oo Meter langen Museggmauer hinauf,
soferne er nicht gerade an Häusern mit Fachwerk oder Lüftlmalerei
hängen bleibt. Auch die Brunnen, wie etwa der an die Luzerner
Fasnacht erinnernde Fritschibrunnen und der Gänsemännchenbrunnen,
der in dieser Form etlichen meiner Gäste von meinen Reisen nach
Nürnberg und Weimar her bekannt ist, sind besondere
Anziehungspunkte.
In der Zwischenzeit regnet es kaum mehr, aber es gäbe noch so unendlich viel in Luzern zu sehen und zu bewundern. Für keines der vielen bedeutenden Museen haben wir Zeit, ist doch die Stadt am Vierwaldstätter See nur zwar kurze aber nicht minder bedeutende Station auf unserer Bus- und Bahnrundreise durch die Eidgenossenschaft. Wir wissen aber, daß wir wiederkommen werden – aber dann auf länger. Weiter geht es, wobei wir
gleich wieder auf der Nationalstraße sind. Teils führt diese durch
den Berg, teils aber noch am Vierwaldstätter See entlang, so etwa im
Bereich von Alpnachstad, wo eine Umsteigemöglichkeit vom Schiff auf
die zum Pilatus hochführende steilste Zahnradbahn der Welt besteht.
Es regnet wieder stärker, aber bald schon erreichen wir Flüeli-Ranft,
wo wir im historischen Hotel ‚Paxmontana’ mit Drehorgelmusik
freundlich empfangen werden. Zwar ein Jugendstilhotel, doch für uns
eine romantische Überraschung, als dieser hundertjährige Prachtbau
plötzlich aus den Nebelschwaden auftaucht. Bedingt durch das Wetter
ist kein Berg zu sehen, ja nicht einmal in der Umgebung ist etwas
auszumachen. Vom Busparkplatz müssen wir unter einer langen Laube
noch zum Hotel wandern, dieses ständig vor Augen.
Im Hotel dann Kerzenlicht in den Gängen und Sälen, kein Fernsehgerät in den stilvoll eingerichteten Zimmern, von deren Balkonen die Sicht ins Tal und auf die Berge so richtig genossen werden könnte. Es regnet aber weiter und zieht dann völlig zu. Vor dem Abendessen noch ein
Spaziergang in der guten Luft, vor allem zum nahegelegenen
Geburtshaus des Nikolaus von Flüe sowie in die Schlucht, also in die
‚Ranft’ hinunter, um die Kapelle des Heiligen aufzusuchen. Den Tag
beschließen gemütliches Beisammensein und das Studium von Unterlagen
und Prospekten.
Am nächsten Morgen ist der
im Tal gelegene Sarnersee im Nebel überhaupt nicht mehr zu sehen.
Wie soll es da weitergehen? Befinden wir uns doch auf einer
Rundreise, die durch landschaftlich wunderschöne Gebiete führt und
deren Höhepunkt von Zermatt aus das ‚Erstürmen’ von Gornergrat oder
Klein Matterhorn sein soll? Wenn es schon herunten im Tal so heftig
regnet, dann muß es doch im Gebirge zwangsläufig schneien. Und der
Wetterbericht ist auch nicht der allerbeste! Es nützt alles nichts,
wir müssen nach der Stärkung am Frühstücksbuffet aufbrechen. Die
Fahrt dauert aber nicht einmal einige Kilometer, dann lasse ich
unseren Bus vor der Kirche in Sachseln halten.
Unser Besuch gilt der
letzten Ruhestätte von ‚Bruder Klaus’, der von Papst Pius XII. vor
6o Jahren heilig gesprochen worden ist. In der Kirche können wir
auch den ‚Rock’ des einzigen Schweizer Heiligen in Augenschein
nehmen.
Nicht lange dauert der
Aufenthalt in der Kirche, doch Zeit genug, daß das Wetter umschlagen
kann. Es hört nicht nur auf zu regnen, es kommt sogar langsam die
Sonne durch. Schon nach einigen Kilometern weiterer Fahrt sind wir
im strahlenden Sonnenschein unterwegs, der uns bis zum Ende der
Reise noch begleiten soll. So ist die Fahrt über den Brünigpaß ein
Vergnügen, am Brienzer See fahren wir noch auf der Nationalstraße,
aber dann schwenken wir vor dem Thuner See zu dessen Nordufer um,
das wir gemütlich entlang fahren und wo wir auch einen Halt
einlegen.
Auf der Fahrt durch Thun
können wir einen Blick auf das Schloß erhaschen und in der Stadt die
schönen alten Häuser bewundern. Im freien Gelände sind dann kurz
Eiger, Mönch und Jungfrau, diese drei Bergriesen am Rande des Berner
Oberlandes, zu sehen. Wieder auf der Nationalstraße durchqueren wir
Bern, die so schöne Hauptstadt der Eidgenossenschaft, zu deren
Besichtigung wir aber heute leider keine Zeit haben, und biegen nach
Süden um. Am durch die Saane durchflossenen Greyerzer Stausee
verbringen wir die Mittagszeit in der Raststätte, das vorzügliche
Speisenangebot in der Schweiz ist für uns schon selbstverständlich.
Weiter geht es – plötzlich
taucht der Genfer See vor uns auf, in seinem tiefblauen Wasser
brechen sich die Sonnenstrahlen, eingerahmt wird er weit im Süden
von den schnee- und eisbedeckten französischen Alpen. Ein
phantastischer Anblick! Um in einen weiteren Genuß zu kommen,
verlassen wir die Nationalstraße, die weit oben am Hang in kühnen
Brückenbauten verläuft, und benützen die Küstenstraße. Die
Durchfahrt durch Montreux versetzt uns in die ‚Belle Epoque’, ein
prachtvoller Palast steht neben dem anderen, auch wenn es – wie etwa
beim Hochhaus – moderne Bausünden festzustellen gilt.
Dann taucht nahe dem Ufer
Schloß Chillon auf, eine ‚Burg wie aus dem Bilderbuch’. Für mich
Anlaß, nahe dem Schloß zu ‚parkieren’, denn der Reiseveranstalter
lädt zum Kaffee ein. Aus zeitlichen Gründen ist eine
Schloßbesichtigung nicht möglich, aber wir können ja wiederkommen.
Weiter geht es, schon bald das Rottental aufwärts (den von den Franzosen als Rhone bezeichneten Fluß nennen die Deutsch-Schweizer Rotten). St-Maurice und Martinach/Martigny etwa bieten genügend Stoff, um den Hlg. Mauritius und sodann die römische Geschichte auferstehen zu lassen. An Sitten vorbei führt der Weg, um dann bei Visp in der Mattertal einzubiegen. Bis Täsch können wir mit unserem Bus fahren, dann heißt es umsteigen auf den Pendelzug, der aufgrund der Steigungen zum Teil im Zahnstangenbetrieb geführt werden muß. Ein Vorgeschmack auf die sonntägige Fahrt mit dem Glacier Express. Rasch erreichen wir das in über 1.6oo m gelegene Gebirgsdorf Zermatt, wo wir für zwei Nächte Aufenthalt nehmen wollen. Im autofreien Ort ist unser Hotel auch zu Fuß bald erreicht. Vor dem Abendessen können wir noch gemütlich bummeln – und vor allem den Blick zum Matterhorn erheben. Wer am nächsten Morgen den
‚Berg der Berge’ im Frühlicht sehen will, muß schon kurz vor sechs
Uhr aufwachen, wobei aber für die meisten Gäste ein Aufstehen gar
nicht angesagt ist. Das Matterhorn blickt bei Balkontüren und
Zimmerfenstern unseres Hotels ‚National’ herein. Haben wir es doch
wieder einmal gut getroffen!
Nach dem feinen
Buffetfrühstück eine kurze Besprechung hinsichtlich des
Tagesablaufes. Drei Gäste wollen mit der Luftseilbahn das Klein
Matterhorn bezwingen, drei weitere wollen im Dorf bleiben bzw. das
Hotelschwimmbad genießen – mit allen anderen fahre ich mit der
Zahnradbahn auf den Gornergrat hoch. Der wolkenlose tiefblaue Himmel
verspricht ein traumhaft schönes Erlebnis!
Gemeinsam finden wir trotz
des allgemeinen Ansturms im gleichen Wagen Platz; wenn nämlich der
Andrang zu groß ist, wird einfach eine weitere Zugsgarnitur
eingeschoben – in manch einem anderen Fremdenverkehrsgebiet könnte
man von den findigen Zermattern lernen. Langsam aber stetig fährt
der Zug mehr oder weniger steil bergauf, natürlich ständig mit dem
bei derartigen Steigungen erforderlichen Zahnstangenbetrieb. Während
wir bald schon auf Zermatt hinunterblicken, haben wir fast während
der ganzen immerhin dreiviertelstündigen Fahrt mehr oder weniger
freien Blick auf das Matterhorn.
Da erst können wir so richtig erfassen, welches Glück wir mit dem Wetter haben. Während wir nämlich ‚Luzern im Regen’ erlebt haben, hat es hier heroben heftig geschneit, wie wir schon bald erkennen können. Die weiße Landschaft – der tiefblaue Himmel – der ‚Berg der Berge’! Ein schöneres Erlebnis kann es wohl kaum geben. Nur die Murmeltiere wollen sich nicht photographieren lassen.
Von der Bergstation sind nur
noch ein paar Höhenmeter bis zum Gipfel zu überwinden – dann ist der
Rundblick überwältigend. Viele Viertausender gilt es zu bewundern,
wobei das an der Grenze zu Italien aufragende Matterhorn (daher auch
der italienische Name ‚Monte Cervino’) gar nicht der höchste ist.
Zwischen den riesigen Bergen dann die gewaltigen Gletscher, deren
Eis im Sonnenlicht funkelt.
Stunden könnten wir hier
verbringen und die Wunder der Natur bestaunen, die mit dem Fernrohr
nahe herangezogen werden können.
Wir wollen aber noch im Dorf
spazieren gehen und die alten Häuser bewundern. Wem der beim Bau der
Vorratsstadel aus Lärchenholz traditionelle Walliser Baustil noch
nicht bekannt ist, der kann sich an Ort und Stelle davon überzeugen,
daß die Pfosten der Stadel als Schutz gegen Nagetiere mit großen
runden Steinen, den charakteristischen ‚Mäuseplatten’, unterlegt
sind.
Auch gilt es, den
Bergsteigerfriedhof aufzusuchen und der Opfer der Berge zu gedenken.
Wir entdecken auch die Grabplatte der Erstbesteiger des Matterhorns.
Das Abendessen in unserem Hotel vereint wieder alle Gäste, die ihre Erlebnisse austauschen. Die Bezwinger des Klein Matterhorn haben sich durch einen Meter Neuschnee kämpfen müssen, sind aber für ihre Anstrengung mit einer nicht zu überbietenden Fernsicht belohnt worden. Allerdings: Die typische Pyramide des Matterhorns kann von seinem kleinen Namensvetter nicht in dieser Form wahrgenommen werden. Am vierten Reisetag heißt es
Abschied nehmen von Zermatt, dessen Wahrzeichen noch einmal zu
unserem Hotel im milden Licht des Morgens herüberleuchtet. Zu Fuß
legen wir die paar Meter zum Bahnhof zurück, ein ausschließlich für
unsere Gruppe reservierter Wagen steht bereit. Wie es sich meine
Gäste im Zug bequem machen, halte ich vom Bahnsteig aus durch die
spiegelnden Fenster fest. Pünktlich fährt dann der Glacier Express
ab.
Die Fahrt führt durch das Mattertal abwärts bis Visp und dann noch ein paar Kilometer das Rottental aufwärts bis Brig, von wo es nach einem Lokwechsel talaufwärts weiter geht. Allerdings sind die Sitzplätze nunmehr hinsichtlich der Fahrtrichtung vertauscht, da wir noch in Brig scheinbar in die Ausgangsrichtung zurückfahren, in Wirklichkeit aber einen 18o-Grad-Bogen machen. Wie genießen die
vorüberziehende Landschaft, wobei jeder, der will, die
Sehenswürdigkeiten über Kopfhörer (auch japanisch kann eingestellt
werden!) erklärt erhält. Natürlich lassen wir uns kulinarisch
verwöhnen, der Getränkedienst klappt ausgezeichnet. Gespannt sind
wir auf das bestellte Mittagessen, das auf die Tischchen zwischen
einander gegenübersitzenden Vierergruppen serviert wird.
Schweinsgeschnetzeltes mit Hirse und Rübli wird in so hervorragender
Qualität aufgetischt, daß viele Gäste von der Möglichkeit,
Hauptgericht und Beilagen nachzubekommen, gerne Gebrauch machen. In
den Bahnhöfen können wir für Erinnerungsbilder kurz aussteigen.
Die Fahrt ist derart kurzweilig, daß die Zeit überraschend schnell vergeht. Im neuen Panoramawagen bietet sie ja genügend Abwechslung. Aber was entdecken wir da an einem beschrankten Bahnübergang? Unseren Bus! Die ganze Strecke, die wir bequem im Zug zurücklegen, muß unser Fahrer ganz allein auf der Landstraße zurücklegen. Und dann stoppen wir ihn noch, wo er uns doch pünktlich in Chur am Bahnhof erwarten soll! Nach Durchfahren des
Furkatunnels wird Andermatt erreicht und dann geht es weit hinauf.
In einer Höhe von über 2ooo Metern überqueren wir den Oberalppaß und
werden nunmehr vom Vorderrhein begleitet. In Disentis/Mustér erfolgt
ein Lokwechsel, auf dem Gebiet der Rhätischen Bahn geht es weiter.
So fein die großen Panoramascheiben unseres Waggons sind, manchmal
spiegelt sich aber das Waggoninnere beim Photographieren, was ich
gerade in diesem Ort beim Aufnehmen der doppeltürmigen Klosterkirche
des ältesten Benediktinerklosters der Schweiz feststellen muß. Wegen
der Klimaanlage können die Fenster nämlich nicht geöffnet werden.
Weiter geht die Fahrt durch
den landschaftlich so schönen aber sehr dünn besiedelten Kanton
Graubünden. Fallweise gilt es einen Gegenzug auf der eingleisigen
Strecke abzuwarten und gleich zu photographieren.
Die Rheinschlucht bietet
gegen Ende der Fahrt noch ein einmaliges landschaftliches Erlebnis,
der Blick auf die vom Wasser geformten Felswände fasziniert uns
alle. Nichts kann uns mehr auf den Sitzen halten.
Aber auch Wassersportler,
die den heutigen Sonntag genießen, müssen im Bild festgehalten
werden. Einen kann ich noch ‚einfangen’. Er muß aber seine
Aufmerksamkeit mehr dem gischtenden Wasser widmen und nicht unserem
Zug, der in Disentis/Mustér mehr als doppelt so lang geworden ist.
Von der bisherigen Fahrt
sind zwei Gäste so begeistert, daß sie beschließen, nicht in Chur –
unserer planmäßigen Endstation – auszusteigen, sondern nach
Rücksprache mit dem Schaffner, der ab Chur keine weiteren
reservierten Plätze feststellen kann, mit dem Zug bis St. Moritz
weiterzufahren und dann das Postauto zur Heimfahrt zu benützen. Wir
anderen steigen aber aus und werden am Bahnhofsvorplatz schon von
unserem Fahrer Micha mit dem Bus erwartet. Ein wieder etwas anderes
Fahrgefühl umgibt uns; noch in der Eidgenossenschaft und dann im
Oberinntal legen wir Pausen ein. Das Gruppenbild schieße ich auf
einem Parkplatz im ‚Ländle’, da ich ja unseren Fahrer auch mit im
Bild haben will.
Pünktlich zur vorgegebenen Zeit
kehren wir heim, die Gäste aus dem Unterinntal bzw. aus Salzburg
haben noch eine längere Fahrt vor sich. Aber trotz der doch langen
An- bzw. Rückreise sind auch diese Gäste von der letztendlich vom
Wetter so begünstigten Reise begeistert. Es zahlt sich also aus,
auch von Salzburg weg eine Fahrt mit dem ‚langsamsten Schnellzug der
Welt’ anzutreten. Was aber allen bleibt, ist die Erinnerung an den
‚Berg der Berge’.
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