Herrliche Tage in der Eidgenossenschaft

 

In der Vorschau habe ich die Frage aufgeworfen, wie es möglich ist, die Schweiz in zwei Tagen zu erleben. Die Antwort habe ich gleich dahingehend gegeben, daß es mir natürlich nicht möglich ist, meinen Gästen in zwei Tagen die ganze Schweiz zu zeigen, da nämlich auch zwei Wochen für eine auch nur oberflächliche Besichtigung dieses wunderschönen Landes nicht reichen würden. Ich habe aber darauf verwiesen, daß wir ein Wochenende im Raum Vierwaldstätter See verbringen würden, dem geographischen und vor allem historischen Zentrum der Eidgenossenschaft. Und so haben wir im Bereich der Urkantone und des Kantons Luzern uns mit der Schweizer Geschichte beschäftigen können. Bevor es aber soweit gewesen ist, haben wir unser erstes Ziel in der Eidgenossenschaft angesteuert. Als interessante Zwischenstation Schaffhausen.
 

 


 

Auch wenn also Schaffhausen, die Hauptstadt des gleichnamigen Kantons, mit seinen erkerverzierten schmucken Häusern, den vielen Brunnen, mit dem Kloster Allerheiligen und vor allem mit der Festungsanlage Munot unglaublich viel Schönes zu bieten hätte, so bleibt uns doch nur Zeit, den Rheinfall zu erleben. Zu diesem Zwecke fahren wir ganz nahe zum Schlößchen Wörth, um von dort aus im offenen Schiff von ‚Rhyfall-Mändli’ den Felsen in der Mitte des 15o m breiten Falles anzusteuern. Ein grandioses Erlebnis, wie der Steuermann den Strudel unterhalb des Falles anpeilt, um sicher den Landungsplatz am Felsen zu erreichen.
 


 

Und dann bewältigen wir den steilen Aufstieg zur kleinen Plattform des Felsens, umtost vom Rauschen des links und rechts vorbeibrausenden Wassers. Auch wenn der Fall nur etwa 2o m hoch ist, so verspüren wir doch hautnah die Urgewalt des Wassers.
 


 

Um den Blick nicht vom Fall wenden zu müssen, bietet sich für das folgende Mittagessen geradezu ideal das Restaurant im Schlößchen Wörth an – durch die großen Glasscheiben können wir weiterhin den regen Schiffsbetrieb unterhalb des Falles verfolgen und vor allem das nicht aufhörende Herabströmen der Wassermassen über die Klippe. Das ohnehin vorzügliche Essen schmeckt dabei noch einmal so gut.
 


 

Doch wir müssen uns trennen von diesem grandiosen Schauspiel der Natur, wollen wir doch noch am Nachmittag Luzern erreichen. Von der Nationalstraße, wie die Autobahn in der Schweiz heißt, können wir direkt in das Zentrum dieser Stadt am Vierwaldstätter See abfahren. Für mich Gelegenheit, bereits auf dem Weg zu unserem Hotel schon über die bedeutendsten Sehenswürdigkeiten zu plaudern, fahren wir doch über die Seebrücke und genießen den Blick etwa auf die Kapellbrücke mit dem Wasserturm, auf die Jesuitenkirche, auf das Rathaus und auf die Museggmauer, um nur einige der Hauptsehenswürdigkeiten herauszugreifen. Natürlich kommen auch die Dampfschiffe, wie die Luzerner ihre altehrwürdigen Raddampfer nennen, in Sicht.
 


 

Rasch haben wir unser äußerst günstig gelegenes Hotel erreicht und können durch dessen Lage einen weiteren Vorteil für uns buchen. Schräg gegenüber vom Hotel erblicken wir das Bourbaki-Panorama, das wir gleich nach den rasch abgewickelten Formalitäten und dem Zimmerbezug aufsuchen. Wir werden mitten in die Ereignisse des Deutsch-Französischen Krieges von 187o/71 hineinversetzt. Auf einer 1o m hohen Rundumleinwand von 112 m Länge wird der Übertritt einer französischen Armee unter General Bourbaki auf Schweizer Gebiet im Jänner 1871 mit der folgenden Entwaffnung dargestellt, wobei der plastisch dargestellte Vordergrund nahtlos in die Malerei übergeht. Ein Meisterwerk der Darstellungskunst!

Nach dem Abendessen in unserem Hotel lade ich zum Spaziergang durch die Stadt ein. Von der Seebrücke bietet sich ein interessanter Blick auf den Bahnhofplatz mit dem neuen Bahnhofsgebäude im Hintergrund und dem Hauptportal des 1971 abgebrannten Vorgängerbaues.
 


 

Vom Schwanenplatz aus überqueren auf der Kapellbrücke ein erstes Mal die Reuss. Auch wenn die durch einen Brand im August 1993 zerstörten Teile der Brücke originalgetreu ersetzt worden sind, so sind doch die Spuren deutlich auszumachen. Die linksufrige Jesuitenkirche präsentiert sich als der erste große sakrale Barockbau der Schweiz, im Stadtbild Luzerns erscheint sie als Gegenpol zur rechtsufrigen, ebenfalls zweitürmigen Hofkirche. Der dem Jesuitenheiligen und Indienmissionar Franz Xaver geweihten Jesuitenkirche ist in typischer Barockmanier die Treppe zur Reuss vorgelagert.

Wir bummeln weiter bis zum Naturmuseum und überqueren noch einmal den Fluß – wieder auf einer überdachten Holzbrücke, nämlich der Spreuerbrücke, die mit Totentanzbildern aus dem 17. Jahrhundert geschmückt ist.
 

 


 

Durch die Altstadt mit ihren alten Bürgerhäusern und brunnengeschmückten Plätzen geht es zurück zum Schwanenplatz und Richtung Hotel. In der Zwischenzeit ist es ganz dunkel geworden, die aufgeflammten Lichter lassen die Stadt noch romantischer erscheinen. Am Seeufer legen wir noch kurz beim Restaurantschiff ‚Wilhelm Tell’ einen Halt ein.
 


 

In der Hotelbar gibt es dann noch viel zu erzählen – es wird spät an diesem Abend, was aber nichts ausmacht, da die Abfahrt am nächsten Morgen sich nach dem Linienschiffsfahrplan richtet. Wir brauchen also nicht sehr zeitig aufzustehen.
 


 

Mit unserem Bus fahren wir am Vormittag des zweiten Reisetages zu den Landungsbrücken, wo wir uns auf die ‚MS Winkelried’ (der Schiffsname gibt natürlich Gelegenheit, wieder die Schweizer Geschichte aufzurollen) einschiffen. Noch einmal genießen wir den Blick auf die zur Museggmauer aufsteigende Stadt, denken aber mit leichter Sorge darüber nach, wie sich das Wetter entwickeln wird. Wir alle kennen ja den Spruch: ‚Hat der Pilatus einen Hut, wird das Wetter gut; trägt er einen Degen, gibt es Regen’.
 


 

Die Möglichkeit, daß es auf dem Pilatus, unserem für den späten Vormittag angepeilten Ziel, regnen oder gar schneien könnte, schieben wir als wirklichkeitsfremd beiseite und genießen einfach die eineinhalb Stunden auf dem See als für uns bestimmte gemütliche Zeit. Ist schon eine Schiffahrt im allgemeinen eine feine Sache – die Fahrt auf dem fünftgrößten und landschaftlich wohl schönsten Schweizer See ist einfach etwas Wunderbares. Natürlich sind wir nicht allein unterwegs, viele weitere Linien- und Ausflugsschiffe kreuzen auf dem See.
 


 

In der Engstelle bei Stansstad fahren wir unter der Brücke mit der Richtung Gotthard und Lugano führenden Nationalstraße durch und befinden uns nunmehr im Alpnacher See, wie dieser Teil des Vierwaldstätter Sees heißt. In Alpnachstad ist der Wechsel des Transportmittels angesagt: Vom Schiff steigen wir auf die Zahnradbahn um.
 

 


 

Es gilt das Wunderwerk der mit bis zu 48 % Steigung steilsten Zahnradbahn der Welt zu bestaunen, wobei allein schon der Wechsel der elektrischen Triebfahrzeuge von einem Gleis der Talstation auf das andere technisch höchst interessant ist.

Und dann geht es los! Aber bald schon umfangen uns dichte Nebelschwaden, die uns den Blick auf die Bergwelt und den See nehmen. Das kann ja heiter werden! Da haben wir uns alle so auf dieses Bahn- und Bergerlebnis gefreut – und jetzt das! Aber plötzlich reißt der Nebel auf, blauer Himmel umfängt uns – wir haben die Nebel- und Wolkendecke durchstoßen. Ein wunderbares Gefühl umfängt uns, die wir die letzten paar hundert Höhenmeter im Sonnenlicht mit der herrlichen Aussicht auf die Bergwelt zurücklegen können. Das ist  d a s  Erlebnis! Und oben werden wir noch mit Alphornklängen empfangen – mehr können wir wirklich nicht verlangen.
 

 


 

Vereinzelt sehen wir noch Neuschneeflecken. Da erinnern wir uns: In den vergangenen Tagen hat es in der Zentralschweiz geregnet und somit auf den höheren Bergen natürlich geschneit. Ein bisserl Wetterglück gehört einfach dazu!
 


 

Wir alle genießen die nunmehr gegebene herrliche Aussicht. Einige wandern zum Gipfel des Esels, also zum zentralen, aber nicht höchsten Punkt des Pilatus, hinauf, von wo die Aussicht natürlich wesentlich umfangreicher ist, allerdings noch Richtung Luzern durch die im Hang hängenden Wolken getrübt. Die Gastronomie erhält die Bewertung ‚vorzüglich’, sodaß wir alle gestärkt die Talfahrt antreten können. Richtung Kriens nahe Luzern geht es zuerst mit der Luftseilbahn und dann in kleinen viersitzigen Liftgondeln bergab.
 

 


 

In Kriens erwartet uns schon unser braver Fahrer Peter mit dem Bus. Rasch sind wir in Luzern und genießen ein letztes Mal die Fahrt über die Seebrücke. Vorbei am Verkehrshaus der Schweiz, diesem größten Verkehrsmuseum Europas, das allein schon einen Luzern-Besuch wert wäre, geht es zeitweise den See entlang, wobei wir am Küßnachter See eine Pause einlegen. Wir gedenken der im Jahre 1935 bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommenen belgischen Königin Astrid.
 


 

Natürlich wäre jetzt ein Abstecher zur ‚Hohlen Gasse’ und zur Tellskapelle nahe liegend, doch muß ich mich wieder auf Erzählungen aus der Schweizer Geschichte beschränken. Der Schweizer Nationalheld Wilhelm Tell, den eigentlich erst Friedrich von Schiller in seinem gleichnamigen Drama ‚zum Leben erweckt’ hat, kommt nicht zu kurz. Mit Zitaten aus dem Drama verkürzen wir uns die Zeit; uns umfängt weiterhin eine traumhaft schöne Landschaft, sodaß dann während der Fahrt entlang des Sees bis Brunnen nur das Auge ‚auf Wanderschaft’ geht.

Jetzt ist auch das letzte Ziel der Rundfahrt nicht mehr weit; es gilt, dem Wallfahrtsort Einsiedeln mit seiner Benediktinerabtei Maria Einsiedeln noch einen Besuch abzustatten. Großartig der Klosterplatz mit der Abtei, auf dem das ‚Große Welttheater’ des spanischen Dramatikers Calderón de la Barca aufgeführt wird.
 


 

Fast noch eindrucksvoller als die Frontseite der Abtei die Klosterkirche mit 113 m Länge, 41 m Breite und (ohne Kuppel) 37 m Höhe. Altarbauten, Chorgestühl und Chorgitter sowie Fresken und Stuck in Verbindung mit einer grandiosen räumlichen Wirkung ziehen uns in ihren Bann. Das Gnadenbild der ‚Schwarzen Mutter Gottes’ ist genauso ein Anziehungspunkt wie etwa das figurenreiche Fresko von Cosmas Damian Asam im Kuppelraum.
 


 

Vieles gäbe es noch allein in der Abtei zu sehen, so etwa die Stiftsbibliothek und den ehemaligen Fürstensaal. Aber auch in Einsiedeln wären das ‚Diorama Bethlehem’ mit über 5oo holzgeschnitzten Krippenfiguren oder das ‚Panorama’ mit der Kreuzigung Christi einen eigenen Besuch wert. In zwei Reisetagen kann aber nicht mehr ‚untergebracht’ werden, es soll doch keinesfalls die Gemütlichkeit leiden!

Durch hügeliges Waldland nordwärts fahrend erreichen wir den Zürichsee und dann geht es schon nach Osten Richtung Heimat. Als weiteren Schweizer See genießen wir noch von der Nationalstraße aus – soferne wir nicht gerade in Tunnels unterwegs sind – den Blick auf die ‚alpine Fjordlandschaft’ des Walensees, von dessen Nordufer die Felswände hunderte Meter steil emporragen. Im Kanton St. Gallen habe ich die letzte Gelegenheit, die gesamte Gruppe mit unserem Fahrer Peter im Bild festzuhalten, wobei ich den Weitwinkel verwenden muß. Schließlich sind es 51 Gäste aus Vorarlberg, Salzburg und ganz Tirol, die an dieser kurzen, aber höchst interessanten Reise teilnehmen.
 


 

Da die Reise ausgebucht gewesen ist und etliche Interessenten leider haben abgewiesen werden müssen, wird die ‚Erlebnisfahrt Schweiz’ vom 8. bis 9. September 2oo7 mit dem gleichen Programm wiederholt.